Suche nach dem Wald der Zukunft

Der Klimawandel verändert die Wälder in Deutschland und zwingt die Forstverwaltungen zum Umdenken

Macht sich Sorgen um seinen Wald: Revierförster Martin Teuber aus dem nordpfälzischen Dannenfels. Foto: epd

Fachleute sehen klare Folgen des Klimawandels: An der Südseite des Donnersbergs sind im Forstrevier Dannenfels schon zahlreiche Bäume vertrocknet. Foto: epd

Was zurzeit in seinem Wald geschieht, raubt Martin Teuber den Schlaf. „Die Schwarzkiefern gehen kaputt, die Eichen gehen kaputt“, seufzt der Förster bei einem Fußmarsch durch sein Revier am nordpfälzischen Donnersberg. Die Szenerie ist gespenstisch. An einem Hang an der Südostseite sind nach zwei Dürrejahren fast alle Bäume abgestorben, viele von ihnen waren weit über 100 Jahre alt. Einige Äste tragen noch das braune Laub aus dem Vorjahr und haben im Frühling schon gar keine neuen Blätter mehr entwickelt. Zwar regnet es seit einigen Tagen in der Pfalz, aber Teuber muss bloß mit seinen Försterschuhen ein wenig am Boden kratzen, damit in wenigen Zentimetern Tiefe knochentrockene Erde zum Vorschein kommt.

Wer in diesem Herbst in Deutschlands Wäldern unterwegs ist, kann die Folgen des Klimawandels mit eigenen Augen sehen: Zwei Dürre-Jahre in Folge und Schädlinge, denen die milden Winter keinen Schaden mehr zufügen, machen Forstbeamten und Waldbesitzern zu schaffen. Heftige Stürme bringen immer öfter nicht nur Fichten-Monokulturen zu Fall, sondern auch weitgehend naturbelassene Wälder. Dazu kommen immer neue Krankheiten, die nahezu alle Baumarten befallen.

Ob es an der ohnehin eher trockenen Südseite des Donnersbergs mittelfristig überhaupt noch Wald geben wird oder nur eine mediterran anmutende Strauchlandschaft, können Fachleute noch nicht sagen. „Ich hoffe, das ist nicht das Waldbild der Zukunft“, sagt die Mainzer Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) beim Blick auf die verdorrten Eichen in Teubers Forstrevier. „Aber so könnte es kommen.“ Auch im Mainzer Regierungsviertel bereitet der Zustand der Wälder den Verantwortlichen immer größere Sorgen. Mit einem Anteil von über 40 Prozent an der Landesfläche ist Rheinland-Pfalz – gleichauf mit Hessen – das waldreichste aller Bundesländer.

Schon in den 1990er Jahren hatten Orkane wie Vivien und Wiebke große Teile der deutschen Nadelwälder umgefegt. Vielerorts begann damals nach den verheerenden Stürmen der schrittweise Übergang zu einer nachhaltigen Waldwirtschaft. In Rheinland-Pfalz, wo 1990 noch 80 Prozent der Wälder aus schnell wachsenden Nadelbäumen und nur 20 Prozent aus Laubbäumen bestanden, hat sich das Verhältnis mittlerweile umgedreht. Aber das ist nicht überall so.

Wie die Waldgebiete in Deutschland aussehen, hängt von vielen Faktoren ab, aber nur zu einem Teil von den natürlichen Begebenheiten. Viel stärker, als man vermuten könnte, haben politische Entscheidungen die Gestalt des deutschen Waldes geprägt – und zwar schon im 19. Jahrhundert. Damals waren nach Beginn der stürmischen Industrialisierung in den deutschen Teilstaaten zunächst große bewaldete Flächen kahlgeschlagen worden, denn die Fabriken brauchten Unmengen an Holz zum Verfeuern. Kurioserweise rettete ausgerechnet die aufkommende Kohle-Industrie die restlichen Wälder. Je nachdem, welcher Landesherr das Sagen hatte, wurden die entwaldeten Gebiete schneller oder langsamer aufgeforstet. Im damals preußischen Rheinland wurde die Idee, abgeholzte Flächen mit schnell wachsenden Fichten zu bepflanzen, konsequenter umgesetzt als in der bayerischen Pfalz. Die Folgen sind teilweise noch heute zu sehen.

Daher sind die deutschen Wälder auch von den jüngsten Folgen des Klimawandels in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. „Einige Waldbesitzer haben sehr risikoreich gewirtschaftet und sich gedacht, einmal Fichte geht noch“, sagt Elmar Seizinger vom Verein „Forest Stewardship Council“. Die internationale Organisation vergibt ein Gütesiegel für nachhaltige Forstbetriebe. Auch zu große Wildbestände würden verhindern, dass sich die Wälder besser auf den Klimawandel einstellen können, erklärt der Experte: „Beim Thema Jagd liegt im deutschen Wald viel im Argen, die natürliche Verjüngung funktioniert nicht.“ Manchen Jägern gehe es wohl mehr um ein paar prachtvolle Trophäen als um die wirksame Regulierung der Wildbestände, hört man auch von Seiten der Förster.

In Rheinland-Pfalz sind inzwischen alle Staatswälder FSC-zertifiziert und müssen sich damit an eine Reihe von Umweltstandards halten. So gelten Einschränkungen beim Einsatz von Pestiziden. Daneben gibt es eine Reihe durchaus interessanter Ansätze, wie die Wälder widerstandsfähig gegen Klimaveränderungen gemacht werden können. Zu sehen ist das beispielsweise im Soonwald, wo Stürme noch vorhandene Nadelhölzern umgeweht hatten und sich Borkenkäfer über die Reste hermachten. Forstamtschef Bernhard Frauenberger sorgt aktuell dafür, rund 15000 befallene Stämme so schnell wie möglich aus dem Wald zu ziehen. Auf den entstandenen Freiflächen hat die Natur nun weitgehend freien Spielraum, vor allem Birken haben sich von selbst angesiedelt, wo einst Fichten wuchsen.

Auf etwa einem Zehntel der kahlen Flächen haben die Forstleute mit sogenannten Klumpenpflanzungen nachgeholfen. Hier wachsen Eichen, Esskastanien und Winterlinden oder Weißtannen. Im Vorfeld hatten Fachleute die Böden untersucht, um geeignete Arten zu identifizieren. „Wir wollen mit der Natur und nicht gegen die Natur arbeiten“, sagt Frauenberger. Hölzerne Gatter, die nach einigen Jahren von selbst zusammenbrechen und verrotten, schützen die jungen Bäume vor Rehen und Hirschen. Manche toten Bäume werden stehen gelassen – als Futterquelle für Spechte. Der Forstamtsleiter denkt in langen Zeiträumen: „Wir rechnen mit elf bis zwölf Baumarten, die hier in 100 Jahren stehen werden.“

Die Idee, den Wald einfach sich selbst zu überlassen, gilt aber nach wie vor als verpönt. Denn trotz aller Bekenntnisse zur naturnahen Waldwirtschaft wollen weder Länder noch Kommunen auf die Einnahmen aus dem Holzverkauf verzichten. Auch Grünen-Politikerin Höfken bekennt sich klar zur Bewirtschaftung der Wälder. Als Kohlendioxid-Speicher und als Erosionsschutz seien sie zu wichtig, als dass auf menschliche Eingriffe verzichtet werden könnte.

Auch die Förster am Donnersberg setzen ihre Hoffnung auf Baumarten, die ursprünglich nur in anderen Gegenden vorkamen. An den von der Dürre besonders betroffenen Hängen fällt auf, dass der Französische Ahorn relativ robust mit der trockenen Witterung umgeht. In den kommenden Monaten soll nun ganz genau untersucht werden, ob die Bäume auch besser gegen Schädlinge standhalten. Karsten Packeiser

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