Integration läuft nur über sprachliche Verständigung

Ehrenamtliche Helfer geben Flüchtlingen Deutschunterricht – Kirchengemeinde Ludwigshafen-West stellt Räumlichkeiten zur Verfügung

Lernen Deutsch in kirchlichen Räumen: Flüchtlinge in Ludwigshafen. Foto: Kunz

Ludwigshafen. Die Isolation der Flüchtlinge durchbrechen und ihnen durch Deutschunterricht die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen – das sind die Ziele des Projekts „Teachers on the road“. Dafür engagieren sich in Rheinland-Pfalz und Hessen bereits rund 250 ehrenamtliche Helfer. Seit einem Dreivierteljahr geben auch in Ludwigshafen Ehrenamtliche Deutschunterricht. Die Matthäuskirchengemeinde im Ludwigshafener Stadtteil West hat dafür in ihrem Gemeindehaus Räumlichkeiten bereitgestellt.

Immer montags, mittwochs und freitags treffen sich etwa 20 Flüchtlinge in dem hellen Unterrichtsraum mit der großen Tafel. Es sind überwiegend Männer aus Syrien, die zwischen 16 und 48 Jahren alt sind. Ehrenamtliche geben jeweils an einem Nachmittag in der Woche Unterricht. Anderthalb Stunden für Anfänger, anderthalb Stunden für Fortgeschrittene. Die acht ehrenamtlichen Deutschlehrer, die übrigens nicht nur Lehrer sind, sondern aus vielen Berufen kommen, konzentrieren sich in ihrem Unterricht darauf, den Sprachschülern Redewendungen und Vokabeln beizubringen, die sie im Alltag brauchen. Denn die gesellschaftliche Integration läuft nur über die sprachliche Verständigung. „Ich kaufe mir eine Tasche. Du kaufst dir eine Tasche“, steht noch von der letzten Unterrichtsstunde an der Tafel. Und heute lernen die Flüchtlinge, sich vorzustellen. „Ich komme aus Syrien“ und „Ich bin aus Ägypten“ steht in Druckbuchstaben an der Tafel. In jeder Unterrichtseinheit wird ein anderes Thema erarbeitet.

„Das Lehrmaterial hat uns die Caritas zur Verfügung gestellt“, berichtet Volkan-Mikail Öztürk, doch alle anderen Unterrichts- und Verbrauchsmaterialien bezahlen die ehrenamtlichen Lehrer aus der eigenen Tasche. Er selber engagiert sich, weil er den Flüchtlingen eine Willkommenskultur zeigen möchte. „Sie sind ganz normale Menschen – Ärzte, Apotheker, Verkäufer, Schreiner, Schneider. Sie hatten vor ihrer Flucht ein ganz tolles Leben und möchten sich hier wieder ein neues Leben aufbauen und natürlich mit den Menschen kommunizieren“, weiß Julia Ostertag. Die Sängerin, die ein Deutsch-als-Fremdsprache-Studium absolviert hat, reist zum Unterrichten extra aus Heidelberg an, weil es dort noch keine Gruppe gibt. Unter ihren Schülern ist ein junger Mann, der aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Syrien geflohen ist. Dem 26-Jährigen droht die Abschiebung, weil er über Italien nach Deutschland gekommen ist. Gerne möchte der gelernte Fliesenleger hierbleiben und sich in die Gesellschaft integrieren. Der Deutschkurs sei für ihn sehr hilfreich, sagt er noch auf Englisch. Oder Muhammad Majdi Abdul Ghni, ebenfalls aus Syrien. Der 25-Jährige hat nach einem Jahr Wartezeit den Aufenthaltsstatus erhalten, wie es offiziell heißt. Er hat in seiner Heimat Biologie studiert, möchte sich aber in Deutschland gerne beruflich neu orientieren.

Gemeindepfarrerin Elke Maicher unterstützt das „tolle Projekt“ gerne und stellt die Räume zur Verfügung. „Wir müssen als Kirche mithelfen, dass die Menschen, die aus den Bürgerkriegsgebieten hierherkommen, Deutsch lernen können“, ist sie überzeugt. Momentan wird geprüft, ob ein Kellerraum im Gemeindehaus für die Kinderbetreuung umgebaut werden kann. Dann können nämlich auch Mütter an den Deutschkursen teilnehmen, die sich bisher um ihre Kinder kümmern müssen. Auch die „Teachers on the road“ denken weiter. Wenn im Herbst das neue Containerdorf von 270 männlichen Flüchtlingen bezogen wird, möchten sie dort ebenfalls Deutschunterricht anbieten.

Durch den Unterricht werden die Ehrenamtlichen mit allen Problemen der Flüchtlinge konfrontiert. „Sie sind katastrophal untergebracht, in richtigen Bruchbuden“, kritisiert Julia Ostertag und zeigt Fotos von verschimmelten, defekten Duschen mit zu kleinem Boiler und zwei verdreckten Herdplatten. Daher belassen es die „Teachers“ nicht nur beim Unterricht, sondern wenden sich mit klaren Forderungen an die Politik und die Stadt: „Die Stadt muss einen Ansprechpartner in den Unterkünften zur Verfügung stellen und Reparaturen durchführen“, betont Ostertag. Außerdem fordern die „Teachers“ eine finanzielle Unterstützung für ihre Kurse durch den Staat, denn mit ihren Deutschkursen schließen sie eine Lücke im System. Flüchtlinge haben erst dann einen Anspruch auf einen offiziellen Deutschkurs, wenn ihr Asylantrag anerkannt ist. Und bis dahin können Monate ins Land gehen – Monate, die für die Integration vertan sind, denn eine Grundvoraussetzung für die Integration ist schließlich die Sprache. rad

Das Spendenkonto: Respekt Menschen, Stichwort „Teachers on the ­road“, Nr. 0 191 740 240 bei der Sparkasse Vorderpfalz, BLZ 545 500 10, IBAN: DE03 5455 0010 0191 7402 40, BIC: LUHSDE6AXXX, Sparkasse Vorderpfalz.

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