Auch kirchenferne Menschen sollen Kraft tanken können

Im Dekanat An Alsenz und Lauter laden am 3. und 4. November 33 Gemeinden zum Spürbar-Sonntag-Gottesdienst ein – Englisches Vorbild

In der Ortsmitte von Höringen an der Hauptstraße: Gemeindepfarrer Karsten Scholl mit dem Einladungstransparent. Foto: Löffel

Am Wochenende des 3. und 4. November hofft das Dekanat An Alsenz und Lauter eine Ernte einfahren zu können: Dann werden in seinen 33 Kirchengemeinden Gottesdienste unter dem Motto „Spürbar Sonntag“ gefeiert, die wesentlich mehr Besucher als üblich haben könnten. Vier Wochen zuvor waren regelmäßige Gottesdienstbesucher in den Erntedank-Gottesdiensten gebeten worden, einen oder mehrere Menschen einzuladen und mitzubringen, die sonst kaum oder nicht in die Kirche gehen.

Zu den Gemeindepfarrern, die kräftig getrommelt haben, gehört auch Karsten Scholl aus Heiligenmoschel. „Wir haben Wochen zuvor in den Erntedank-Gottesdiensten in Heiligenmoschel und Höringen jeweils nach dem Gottesdienst Lesezeichen mit der Aufschrift „Bitte weitergeben“ an die Besucher ausgeteilt, auf denen der Spürbar-Sonntag-Gottesdienst mit Ort, Tag und Uhrzeit angegeben ist“, sagte er. Auch auf großen orange-gelben Transparenten, die in den Orten an gut sichtbaren Stellen aufgehängt worden seien, wird auf die Gottesdienste verwiesen.

Sinn der Gottesdienstreihe ist nach Angaben von Pfarrerin Margit Nickel aus dem dekanatsweiten Organisationsteam, Menschen spüren zu lassen, dass sie dort zur Ruhe kommen, den Alltag loslassen und neue Kräfte tanken ­können. „Es geht in diesen Gottesdiensten darum, zu sich selbst zu kommen, denn das fehlt uns allen oft im Alltag“, weiß Nickel.

Dekan Matthias Schwarz hofft, mit der neuen Gottesdienstreihe die Zahl der Besucher auf Dauer steigern zu können. Der demografische Wandel habe dazu geführt, dass immer weniger Menschen in die Sonntagsgottesdienste gingen. In den vergangenen 15 Jahren sei die Zahl um rund die Hälfte gesunken. Mit konkreten Zahlen illustriert Pfarrer Karsten Scholl die neue gemeinsame Aktion der Pfarrerinnen und Pfarrer im Kirchenbezirk. „Bis vor etwa fünf Jahren hatte ich jeweils rund 30 Besucher in den normalen Sonntagsgottesdiensten ohne Taufen, jetzt sind es noch um die 15“, sagt er. Vor allem viele ältere Menschen, die sehr regelmäßig gekommen seien, hätten nun gesundheitliche Probleme oder seien inzwischen gestorben.

In der Ortsmitte von Höringen hat der Theologe vor einigen Wochen ein rund 2,50 Meter breites Kunststoffbanner aufgehängt, das auf den Spürbar-Sonntag-Gottesdienst am Samstag, 3. November, um 18 Uhr in der Kirche im Ort hinweist. „Ich lasse mich überraschen, wie viele es werden“, meint Scholl hoffnungsfroh.

Im September vergangenen Jahres haben die Pfälzer den Wiesbadener Dekan Hans-Hermann Pompe eingeladen, wo die Spürbar-Sonntags-Gottesdienste vor genau zwei Jahren ausprobiert worden sind – mit Erfolg. „Er hat uns Pfarrerinnen und Pfarrern die Idee einen Nachmittag lang vorgestellt“, sagte Matthias Schwarz. Es gehe darum, einen gut vorbereiteten und einladenden Gottesdienst anzubieten, in dem nicht diffizile theologischen Fragen erörtert würden, sondern Menschen „die Predigt und Gottes Wort gern hören“. Vorbild dafür sei der „Back-to-Church-Sunday“, den die Anglikanische Kirche in Großbritannien seit 2005 jährlich in regionalen Kooperationen feiere. Es brauche dazu nicht viel, hat Paul Bayes, Bischof von Hertford, Bilanz gezogen. Es brauche nur Neugier auf ungewohnte Wege, Vertrauen auf die Ausstrahlung einladender Gottesdienste, Bereitschaft zu regionalen Kooperationen und gastfreundliche Gemeinden, die sich freuen auf neugierige, suchende, skeptische oder auch distanzierte Menschen.

„Wir sind das erste Dekanat in der Landeskirche, das die Spürbar-Sonntag-Gottesdienste ausprobiert. Vielleicht gelingt es auf diese Weise, bis zu 20 neue Menschen einzuladen, die bisher eine Schwellenangst hatten, in die Kirche zu gehen“, sagt Matthias Schwarz. dob

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