Die unstillbare Sehnsucht nach Gleichheit und Frieden

Neustadter Dekan Armin Jung erinnert mit seiner Inszenierung des Theaterstücks „Eulenspiegel“ an den Beginn des Dreißigjährigen Kriegs

Im Theater im Hof in Haßloch: Probe für das Stück „Eulenspiegel“. Foto: LM

Haßloch. Seit einigen Wochen schon tauscht der Neustadter Dekan Armin Jung immer samstags und am Sonntag nach dem Gottesdienst  den Talar gegen das grobleinene, erdfarbene Bauerngewand. Er greift zu Dreschflegel und Textbuch, die er wechselseitig bedient: auf der einen Seite Protagonist des kriegerischen Bauernvolks, hauptsächlich aber doch Lenker vom Regiestuhl aus. Das „Theater im Hof“ des Kulturvereins Haßloch probt auf seine nächste Premiere am Freitag, 8. Juni, hin: „Die Ballade vom Eulenspiegel, dem Federle und der dicken Pompanne“ von Günther Weisenborn. Die Inszenierung stammt von Armin Jung.

Ganz gezielt habe er diesen Stoff gewählt für das Jahr 2018, „in dem das unstreitig bedeutende Unionsjubiläum in unserer Landeskirche andere historische Daten fast verblassen lässt“, kommentiert Jung die Wahl des Stücks. Darin geht es vor allem um die Freiheit eines Christenmenschen auf Erden. Und was der Mensch dem Menschen antut. Um Jahreszahlenspiele ist man da nicht verlegen. 1618 war‘s, als der Dreißigjährige Krieg begann, 1918 als der Erste Weltkrieg blutschwanger endete. 1968 schließlich überrollten die russischen Panzer das demokratietrunkene Prag. Und natürlich passen auch die 68er mit ihrem Protest gegen den Vietnamkrieg und ihrer aufgereckten Faust gegen Nationalsozialisten in hohen Positionen in diese Reihung.

Der vom Autor bewusst von den dramaturgischen „Fesseln“ – der dogmatischen Einheit von Raum und Zeit – befreite Plot spielt irgendwo am Vorabend der Bauernkriege. Er zielt auf historische Bezüge und emanzipiert sich gleichzeitig davon. Vielmehr geht es um die unstillbare Sehnsucht der Menschheit nach Gleichheit und Frieden.

Auch Eulenspiegel, im Stück eher ein Bruder des instinktsicheren Simplicissimus, wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. Das übrige Personal – Landsknechte, Bauern, der Truchsess als Protagonist des reichen Adels, sein zuletzt ­tapferes und aufrecht-aufmüpfiges „Gschpusi“ Federle, die Marketenderin Pompanne – ein bisschen Mutter Courage, aber doch leichtlebiger und korrumpierbarer – sowie ihre Jungfern: Sie alle bewegen sich in einem fast zeitlosem Raum, dem allein der Kostümfundus ein historisches Profil verordnet.

Günther Weisenborn, ein in den 1940er bis 1960er Jahren erfolgreicher Autor und Dramaturg, in Berlin unter anderem an der Schaubühne und am Schillertheater, später am Hamburger Schauspielhaus, wandelt da auf Brechts Spuren. Ein radikal Linker, der den Widerstand 1942 mit Kerkerhaft bezahlte und 1945 von den Russen befreit wurde. Der „Eulenspiegel“ ist auch eine Art Parabel auf die Vergeblichkeit menschlichen Mühens, ein wortgewaltiger Aufschrei gegen das ewige Scheitern am Sehnsuchtstraum Frieden.

Zwischen derbem Humor, geschliffenen Merksätzen, Possenspiel und auch anrührender Poesie eskaliert die Handlung. Sie türmt sich zu handfester, sich fast überstürzender Dramatik. Ein Happy End, so viel darf verraten werden, ist indes nicht in Sicht.

Auf der Hofbühne in Haßloch, vor der natürlichen Fassadenkulisse des „Ältesten Hauses“, nur ergänzt durch Brunnen, Landsknechtszelt und rustikale Bänke, hebt das Spiel an. Die Musikanten, omnipräsent mit Laute, Trommel und Flöten-Tirili, begleiten das Ent­ree. Tatjana Geiger, im bürgerlichen Beruf Leiterin der Musikschule, hat eigens dafür ein ganzes Bündel von musikalischen Begleitklängen erdacht. Dann tritt sie prallbunt, wortmächtig und nicht um Gestik und Mimik verlegen in Aktion: die proper aufgestellte, rund 20 Akteure starke Thespis-Truppe.

Sie liefert sich kraftvoll und bühnenwirksam, zwischen Tiefsinn und Zoten, ihre Scharmützel: Thomas Schmidt, der den Eulenspiegel verkörpert, Jasmin Drahonovsky, die mit prallen Hüftkissen ausgepolstert die altkluge und gewitzte Hurenmutter gibt, Fiona Jung als Federle, Kurtisane des Truchsess und dabei aufrecht im Herzen, Kai Scharfenberger als zynisch arroganter Herrschender und schließlich der Bauernführer Kasperlein werden – eskortiert von allerlei Fußvolk – ihr Publikum bestens unterhalten. Auch wenn letztlich das Gute mal wieder nicht siegt.

Die Aufführungen in Haßloch im „Ältesten Haus“, Gillergasse 11, sind am Freitag, 8. Juni, Samstag, 9. Juni, Freitag, 15. Juni, Samstag, 16. Juni, Freitag, 22. Juni, Samstag, 23. Juni, Freitag, 29. Juni, und Samstag, 30. Juni, jeweils ab 19.30 Uhr geplant. Eintrittskarten kosten zwölf, ermäßigt zehn, Euro. Sie sind im Vorverkauf zu haben in der Buchhandlung Friedrich, Langgasse 101. Auch an der Abendkasse gibt es noch Karten. Weitere Informationen: www.kulturverein-hassloch.de. gpo

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