Im Kinderstimmenparadies

Bezirkskantorin Katja Gericke-Wohnsiedler macht besonders durch ihre Nachwuchsarbeit von sich reden

Die Übersicht behalten: Katja Gericke-Wohnsiedler beim Landes-Kinderchortag inmitten von Sängern und Musikern. Foto: Landry

Mit der Berufung von Anna Linß auf die Kantorenstelle in Landau hat sich das Geschlechterverhältnis in diesem Tätigkeitsbereich der Landeskirche zugunsten des weiblichen Anteils verschoben. Aber immer noch lautet es: elf Männer zu drei Frauen. Und in der Tat – wie es bei einer Bezirkskantorin um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bestellt ist, davon kann Katja Gericke-Wohnsiedler ein Lied mit vielen Variationen und gelegentlichen Dissonanzen singen.

Keine Beschwerde soll das werden, aber ein kritischer Blick zurück. Und ein Ausrufezeichen hinter das „Wir-haben’s-mit-vereinten-Kräften-geschafft“. Seit 1994 ist Katja Gericke-Wohnsiedler Bezirkskantorin in Grünstadt, hat damals den langjährigen Bezirkskantor Frieder Gutowski beerbt. Als ganz junge Absolventin der Musikhochschule „Robert-Schumann“ in Düsseldorf.

In einem westfälischen Pfarrhaus in Hamm mit drei Geschwistern aufgewachsen, sei Kirchenmusik „stets irgendwie präsent“ gewesen, erzählt die Kantorin, die für ihr Engagement als eine von zwei pfälzischen Amtsinhabern mit dem Titel Kirchenmusikdirektorin ausgezeichnet wurde. Sie habe im Kinderchor gesungen, mit 13 Jahren Klavier und Querflöte gelernt. „Das gehörte einfach zur Bildung.“

Dass daraus ein Beruf werden könnte, habe sie erst kurz vor dem Abitur für sich entschieden. Und rasch ein paar Orgel-Stunden in Angriff genommen. Die Musikhochschule Düsseldorf bot damals einen eigenen Studiengang für nebenamtliche Kirchenmusiker mit Abschluss C-Prüfung an. „So hatte ich Grundlagen-Kenntnisse und musste innerhalb des Instituts lediglich die Lehrveranstaltungen wechseln.“

Während der Ausbildung boten sich immer mal Vertretungen und somit die Möglichkeit zur praktischen Erfahrung. Dass es dann recht reibungslos mit der ersten hauptamtlichen Stelle in der Pfalz klappte, wo Katja Gericke ihren Mann kennenlernte, darüber ist sie bis heute glücklich. Freilich, mit der Familiengründung war auch ein ordentliches Paket Alltagsbewältigung zu schnüren. Die Kinder, heute 18 und 15 Jahre alt, veränderten das Familien- und Berufsleben von Grund auf.

„Natürlich waren da weiter die Orgeldienste, Chorproben und Gottesdiensteinsätze, sollten der Unterricht für die Seminarschüler weiterlaufen und organisatorische Belange erfüllt werden“, sagt sie. Bei beiden Kindern, so erzählt Katja Gericke-Wohnsiedler, sei sie nur jeweils sechs Monate in Elternzeit gewesen. Mehr Zeit ließ sich nicht überbrücken. „Es war nicht einfach, aber Kollegen halfen bei Vertretungen, und die Gemeinde war verständnisvoll und hat uns wunderbar unterstützt“, lobt sie im Rückblick. Dennoch: „Auch wenn man noch so liebevolle Unterstützung vom Partner hat, als Mutter ist man stets an erster Stelle gefordert. Man muss logistisch ganz schön auf dem Posten sein.“

Bemerkenswert ist, dass in diese Zeit der familiären Anspannung der Aufbau ihrer Kinderchorarbeit fiel. Anstoß sei eine Kinderfamilienwoche gewesen, die sie mit dem damaligen Gemeindediakon Roland Uhly durchgeführt habe. „Da wurde ein Kinder-Musical einstudiert, das hat allen solchen Spaß gemacht, dass wir beschlossen: Das sollte doch weitergehen.“

Zunächst hatte die Kantorin Kinder im Grundschulalter eingeladen, der Zulauf steigerte sich rasch, mittlerweile probt sie mit fünf verschiedenen Gruppen, angefangen von den Minis ab vier Jahren, zwei Kindergruppen und zwei Abteilungen, die unter Jugendchor firmieren. Knapp 100 junge Stimmen bringt sie auf die Bühne, wenn alle gemeinsam auftreten, beispielsweise an Heiligabend. Denn das Krippenspiel der Christvesper in der Martinskirche hat in jedem Jahr Ereignischarakter.

Einer, der ihr da überaus hilfreich zur Seite steht, ist Heinz Wolfgang Krapf, Chemiker im Ruhestand und überaus textaffin. Er arbeitet, wann immer ein Musical auf dem Programm steht und natürlich ehrenamtlich, am Sprachprofil der kleinen Akteure. „Mit wunderbarer Geduld und der Begabung, Kinder neugierig zu machen und zu motivieren“, lobt Gericke-Wohnsiedler. Und auch die Kostümnäherinnen sollten nicht ungenannt bleiben, eine Müttergruppe, die dem Projekt Kinderchor mit den Jahren schon einen ordentlichen Fundus zusammengenadelt hat.

Die wöchentlichen Proben, nicht unbedingt immer aufs nächste Projekt fokussiert, sondern vor allem musikerzieherisch konzipiert, zeitigen jedenfalls Erfolg. Denn trotz naturgegebener Fluktuation: Der Zuspruch bleibt konstant, und wenn man die „Großen“ dann studien- oder berufsbedingt ziehen lassen muss, gibt es neuen Input.

Auch für die Grünstadter Bezirkskantorei im Übrigen, die kürzlich ihren 50. Geburtstag begehen durfte. Sie hat konstant 60 bis 80 Mitglieder in ihren Reihen, und damit lässt sich gut arbeiten. Quer durchs Repertoire, wie die Kantorin betont. Sie versuche die Balance zwischen den Epochen zu halten, mal was Barockes, mal Romantik, mal Neueres; es solle nicht langweilig werden. Ein bis zwei große Konzerte pro Jahr stehen auf dem Programm, dazu die Gottesdienste und Even-Musiken, eine besonders schöne Art des musikalischen Abendgebets nach britischer Tradition.

Dass Gericke-Wohnsiedler 2015 die Beauftragung für die Kinderchorarbeit in der Landeskirche angetragen wurde, muss kaum wundern. Für Fortbildungen, Rat und Unterstützung und spezielle Events, wie den kürzlich mit großer Resonanz zelebrierten Landeskinderchortag in Speyer, steht sie zur Verfügung. Und auch ohne Pfälzer Zungenschlag findet die zupackende Westfalin stets sofort herzlichen Kontakt zum jeweiligen Gegenüber. Gertie Pohlit

Luthermusical und Messias

Zwei Veranstaltungen in der Martins­kirche Grünstadt unter der Leitung von Katja Gericke-Wohnsiedler sind besonders zu erwähnen: Das vielerorts bejubelte Kinder-Musical „Martin Luther“ kommt am Sonntag, 27. August, 16 Uhr, noch einmal zur Aufführung. Bereits im Mai hatte die Grünstadter Kinderkantorei mit ihrem Spiel in Kirchheim die Besucherherzen im Sturm erobert. Beim Landes-Kinderchortag am 17. Juni hatten die Nachwuchsakteure als Teil der pfalzweiten Besetzung einige der Szenen aus Luthers Leben in der Gedächtniskirche Speyer mitgestaltet. In der Martinskirche Grünstadt wird das schwungvolle Kinder-Opus von Gerd Peter Münden nun nochmals in voller Länge von den fast 100 kleinen Grünstadter Chor- und Bühnenstars mit Leben gefüllt. Die Grünstadter Kantorei wiederum beginnt nach der Sommerpause mit den Proben zum „Messias“ von Georg Friedrich Händel. Aufgeführt werden soll das Werk mit Solisten und Orchester am zweiten Adventssonntag, 10. Dezember. gpo

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