Ökumene nach Noten gelebt

Der katholische Kirchenmusiker Alexander Burda liebt Grenzüberschreitungen ins Protestantische

Feiern nächstes Jahr 20-jähriges Bestehen: Das „Ensemble 98“ bei der Probe mit Chorleiter Alexander Burda. Foto: Pohlit

Hat einen Großteil seiner Kindheit in Elmstein verbracht: Alexander Burda. Foto: Pohlit

„Im Endeffekt sind wir nicht in erster Linie Katholiken oder Protestanten, sondern vor allem Christen“, bringt Alexander Burda seine Haltung ganz simpel auf den Punkt. Was indes nicht als Beliebig­keit missdeutet werden sollte. Denn der 37-jährige Kirchenmusiker und Pädagoge im Hochschuldienst ist fest verwurzelt in seinem römisch-katholischen Bekenntnis. Und dennoch spielen die interkonfessionellen Bindungen in seiner jungen Vita beruflich wie privat eine ungemein wichtige Rolle. Eine Rückschau.

Schon zu Hause in Elmstein, wo Burda, väterlicherseits Franzose, den Großteil seiner Kindheit und Schulzeit verbrachte, waren die konfessionellen Barrieren mehr als durchlässig. „Meine Oma wusste noch Geschichten zu erzählen von der Trennmauer im Schulhof und schrecklichen Strafen bei Kontaktaufnahme mit Protestanten“, Relikte aus den 1950er und 1960er Jahren, längst begraben. Alexander, mit 16 Jahren in der Ausbildung am Bischöflichen Kirchenmusikalischen Institut (BKI) in Speyer, durfte in der evangelischen Kirche üben. Weil die Orgel besser war.

Und am humanistischen Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium in Neustadt begann das, was sich stringent zur beruflichen Karriere formte. Und sich beharrlich auf dem Ökumenepfad fortpflanzte. Im kommenden Jahr darf mit dem „Ensemble 98“ Burdas erstes Chorprojekt – wenn man vom Kinderchor Elmstein mal absieht – sein 20-jähriges Bestehen feiern. Beflügelt durch den Umstand, besonders viele Musikbegabte im Abiturjahrgang zu wissen, und angeregt durch die protestantische Schulpfarrerin Gaul trommelte Burda das Schülerensemble ein Jahr vor dem Abitur zusammen. Mit explizit karitativer Zielrichtung. Die ersten Aufführungen – Buxtehudes „Membra Jesu nostri“ – waren Konzerte zugunsten der Neustadter Obdachlosentagesstätte „Lichtblick“.

Das ökumenische Ensemble, mitt­lerweile mit schwäbischem „Input“, kommt immer noch projektweise zusammen, pflegt rege Partnerschaften mit Frankreich und musiziert – selbstredend – in seiner protestantisch-katholisch-neuapostolischen Mitgliedermixtur in Kirchen beiderlei Konfession.

1999, nach dem Abitur, hatte Burda zunächst Zivildienst beim damaligen Stifts- und Bezirkskantor in Landau, Jochen Steuerwald, absolviert. Gleichzeitig brachte er seine Tenorstimme bei Dietmar Mettlach in der katholischen Jugendkantorei wie auch in der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz ein. „Immer nur eine Sache der Terminkoordination“, erinnert er sich. Während der Studienjahre in Stuttgart – Schulmusik, katholische Kirchenmusik und Französisch – erprobte er sich schon mal höchst kreativ als nebenamtlicher Kantor in Esslingen-Mettingen; Orgeldienst, Kantorei, die Gründung eines Jugendchors, Initiativen, die bis heute blühen. Verheiratet ist Burda seit Mai 2009, man ahnt es schon, mit einer Protestantin. Ins Berufsleben schließlich startete er im gleichen Jahr als Schulmusiker am Stuttgarter Evangelischen Heidehof-Gymnasium.

Und zeitgleich kürte sich der renommierte Figuralchor an der protestantischen Gedächtniskirche ausgerechnet den jungen katholischen „No-Name-Dirigenten“ zu seinem neuen Leiter – eine bis heute ungebrochen ertragreiche musikalisch-menschliche Liaison. Es waren große Schuhe, in die es da zu schlüpfen galt. Denn gegründet und lange geleitet hat den Figuralchor Stuttgart vor 60 Jahren kein Geringerer als Helmuth Rilling, legendäres Haupt von Gächinger Kantorei und Internationaler Bach-Akademie. Zum Jubiläumskonzert am 21. Mai hatte der emeritierte Altmeister Burdas verehrungsvolle Einladung ans Pult gerne angenommen – ein bewegendes Konzert mit reformationsaffinem Programm – unter anderem Bachs „Ein feste Burg“. Und eine Referenz auf Gegenseitigkeit. Denn beide, den alten und den jungen Meister, verbindet tiefer freundschaftlicher Respekt.

Ob er im unterschiedlichen liturgischen Geflecht nicht gelegentlich die Orientierung verliere? „Keineswegs“, sagt Burda. „Ich empfinde das als große Bereicherung, entdecke in beiden Formen Möglichkeiten und spirituelle Anregungen. Und“, so setzt er nach, „die Musik besitzt ohnedies ein übergreifende Kraft, die alles Trennende überwindet.“

Den Schuldienst hat er mittlerweile quittiert. Seit Oktober 2016 vermittelt Alexander Burda seine Fertigkeiten dem studentischen Kirchenmusiker-Nachwuchs als Dozent für Chorleitung an der katholischen Kirchenmusik-Hochschule Stuttgart-Rottenburg. Auf die blühende Kooperation mit dem evangelischen Hochschul-Pendant in Tübingen weist er gleich als Erstes hin. Zumal er mit dem Landauer Jens Wollenschläger, der dort Orgel-Professor ist, prompt einen alten Freund aus Zeiten der evangelischen Jugendkantorei getroffen hat. Die interkonfessionelle Pfalz-Connection im Schwabenland – aber das ist ein anderes Kapitel … Gertie Pohlit

Stationen auf dem Weg

Humanistisches Gymnasium Neustadt, Studium an der Musikhochschule und der Universität Stuttgart, Schuldienst: Burdas Lebenslauf liest sich recht unspektakulär. Aber was sich begleitend abspielte in seiner Vita, lässt aufmerken.

Ein Auszug: 2001 belegt Burda den Meisterkurs Dirigieren bei Professor Christian Kluttig, 2002 den Meisterkurs Chorleitung bei Dirigent Eric Ericson in Schweden, 2003 und 2004 den Meisterkurs Orgel und Orgel-Improvisation in St. Sulpice und Notre Dame in Paris, wo er Mitglied der Schola ist. Von 2005 bis 2008 absolviert Burda als einer von neun Chorleitungsstudenten in ganz Frankreich ein Dirigierstudium bei Professor Bernard, 2006 belegt er einen Meisterkurs bei den „King’s Singers“ in England.

Daneben ist Burda von 2006 bis 2007 einer von sieben Musikberatern der Initiative des dm-Konzerns. Er assistiert 2006 und 2008 bei einem Opernprojekt und dem Mozart-Requiem in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel, von der er für 14 Aufführungen von Humperdincks „Hänsel und Gretel“ angefragt wird. Dazu kommen seit 2012 Lehraufträge und Gastdozenturen an den Musikhochschulen Karlsruhe und Stuttgart. Burda ist außerdem Juror bei internationalen Wettbewerben, seit 2007 jeden Sommer Dirigent des deutsch-fran­zösi­schen Jugendsymphonieorchesters in Dinard, seit 2004 Dirigent des Symphonischen Orchesters Ostfildern sowie seit 2009 Chorkantor an der protestantischen Gedächtniskirche Stuttgart und Leiter des Figuralchors. gpo

Der CD-Tipp

„Es ist ein großes Verdienst des jungen Dirigenten Alexander Burda, ­
(…) dieses wertvolle Stück französischer Musikromantik wieder zum Erklingen gebracht zu haben,“ lobt Rainer Aschemeier in der Fachzeitschrift „The Listener“ die Einspielung des letzten geistlichen Werks von Camille Saint-Saëns mit dem Namen „Le Déluge“, „Die Flut“. Als „spannungsreich“ und „qualitativ hochwertig“ überzeugt die CD auch andere Rezensenten. Mitgewirkt haben neben dem Figuralchor Stuttgart und der Württembergischen Philharmonie Reutlingen die Solisten Isabelle Müller-Cant, Carolin Strecker, Daniel Schreiber und Philip Niederberger, letzte Pfälzer Weggefährten Burdas und Gründungsmitglieder des „Ensemble 98“. gpo

www.ars-production.de

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