In Wohnzimmer-Atmosphäre auf gleicher Augenhöhe

Evangelische Jugend Obermoschel nimmt Jugendprojektpreis für ihr Projekt „Demokratisches Wohnzimmer“ entgegen – Mit 3000 Euro dotiert

Die Premiere am 16. September vergangenen Jahres in Obermoschel: Jugendliche interviewen Jamill Sabbagh. Foto: Löffel

Große Freude bei der Evangelischen Jugend Obermoschel: Ihre Aktion für Zivilcourage „Demokratisches Wohnzimmer“ hat den Jugendprojektpreis „JUPP! 2017“ der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej) gewonnen. Auf dem 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin überreichte Cornelia Dassler vom Vorstand der Arbeitsgemeinschaft den mit 3000 Euro dotierten Preis und eine Urkunde an drei Mitglieder der Evangelischen Jugend Obermoschel: Sophie Keller, Vanessa Birnbach und Fabian Kaschubowski.

„Dass wir unter insgesamt 247 Projekten in Deutschland den Preis bekommen haben, war eine totale Überraschung für uns“, sagte die 19-jährige Sophie Keller dem KIRCHENBOTEN begeistert. Sie hatte am 16. September vergangenen Jahres erstmals die öffentliche Diskussionsreihe „Demokratisches Wohnzimmer“ in der Innenstadt Obermoschels zusammen mit Eileen Vogel und Melanie Bauer moderiert. Blickfang sind dabei als Sitzgelegenheiten vier liebenswerte alte Wohnzimmermöbel: ein rotes Sofa, zwei Sessel und ein Beistelltischchen, die gut und gerne 50 Jahre auf dem Buckel haben.

Das Team hatte Jamill Sabbagh (Grüne), Beigeordneter des Landkreises Donnersberg und Referent bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, eingeladen und ihn auf dem Sofa zu Lösungsansätzen für drängende Probleme der strukturschwachen Nordpfalz befragt. „Zu den Themen gehörten der hohe Häuserleerstand, eingeschränkte Mobilität durch unzureichenden Öffentlichen Personennahverkehr, Abwanderung, die Arbeit mit Flüchtlingen und fehlende Angebote in Tourismus und Freizeitgestaltung“, zählte Keller auf. An diesem Freitagnachmittag seien bei der Diskussion unter freiem Himmel mitten in Obermoschel rund 40 Passanten stehen geblieben und hätten zugehört. „Drei von ihnen trauten sich sogar, sich mit Fragen, Anregungen und Einschätzungen zu Wort zu melden und mitzudiskutieren“, sagte Keller.

Nach positiven Rückmeldungen von Bürgern will die Evangelische Jugend Obermoschel ihr „Wohnzimmer“ in der ganzen Pfalz bekannt machen. So wird es am Samstag, 16. September, in Kaiserslautern auf dem Jugendfestival „Freiträume“ an der Stiftskirche und vom 10. bis 12. November in Bad Dürkheim beim Mitarbeiterforum der Evangelischen Jugend Pfalz im Butzer-Haus anzutreffen sein.

Anlass für die ungewöhnliche „Wohnzimmer“-Form der Bürgerbeteiligung war eine Frustration. Die Jugendlichen hatten von 2014 bis 2016 das Vorgängerprojekt „Dorfraumpioniere“ absolviert. Darin besuchten sie in ihrer Freizeit ein dreiviertel Jahr lang private Haushalte in Obermoschel und Umgebung, um nachzuhören, welche Probleme, Nöte und Anregungen die Einwohner haben. In der Wohnzimmer-Atmosphäre gelangen offene Gespräche auf gleicher Augenhöhe.

Abschließend luden die Jugendlichen zu einer öffentlichen Veranstaltung mit Auswertung der Ergebnisse ein. „Aber keiner kam“, erinnert sich Ingo Schenk vom Landesjugendpfarramt in Kaiserslautern. Auf der öffentlichen Bühne Forderungen und Probleme auszusprechen, sei für viele Menschen eine zu große Hürde. So seien die jungen Leute aus Obermoschel auf die Idee des kuschligen Wohnzimmers als Diskussionsort gekommen.

Die Preisjury begründete ihre Wahl damit, dass das Projekt aus Obermoschel Menschen aus der eigenen Region zum Nachdenken über die Zukunft der Demokratie bringe. Nicht negativ und resigniert an eine Situation heranzugehen, sondern sich aktiv und positiv für Veränderung zu engagieren, sei eine grundlegend christliche Haltung. Attraktiv wirke, dass sich junge Menschen miteinbringen würden und sich dabei klar gegen ein fremdenfeindliches Menschen- und Weltbild positionierten. Das „Demokratische Wohnzimmer“ sei republikweit anwendbar. dob

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