Abschied von Schwesterntracht und Häubchen

Oberin Isabelle Wien und Pfarrerin Corinna Kloss werden „Diakonissen neuer Form“ – Festgottesdienst am Pfingstsonntag in Speyer

Überzeugt vom neuen Modell diakonischer Gemeinschaft (von links): Pfarrerin Corinna Kloss und Oberin Isabelle Wien. Foto: Landry

Erst vor wenigen Tagen hat sie ihr 25-jähriges Schwesternjubiläum gefeiert. Nun legt Oberin Isabelle Wien von den Diakonissen Speyer-Mannheim ihr Häubchen und das graue Schwesternkleid ab. In Zivilkleidung – unter anderem in Rock und Blazer – wird sie künftig weiter ihren Dienst an den Mitmenschen versehen: Ab Pfingsten ist die einst jüngste Oberin Deutschlands eine „Diakonisse neuer Form“. Zudem wird ihre Referentin, Pfarrerin Corinna Kloss, als erste Frau in der Landeskirche in dieses Amt eingesegnet.

Symbolisch eröffnet die 45-jährige Oberin am Pfingstsonntag bei einem Festgottesdienst um 10 Uhr in der Speyerer Gedächtniskirche ein neu­es Kapitel für ihre traditionsreiche Schwesternschaft in der Pfalz. Der Abschied von der Tracht, die mehr als 150 Jahre lang das Erscheinungsbild der Diakonissen in der Öffentlichkeit prägte, ist nur ein äußeres Zeichen. Er markiert vor allem den Aufbruch in eine lebendige diakonische Gemeinschaft von Frauen – und auch Männern.

Man öffne sich für evangelische Frauen und Männer aller Lebensformen, die zu einer verbindlichen diakonischen Gemeinschaft gehören wollen, erläutert Oberin Wien, die dem Vorstand der Diakonissen Speyer-Mannheim angehört. Das sozial-diakonische Unternehmen hat rund 4500 Mitarbeiter in der Pfalz und Nordbaden.

Neben der „Diakonisse neuer Form“ werde es auch den „Diakon der Diakonissen Speyer-Mannheim“ geben, erzählt Wien. Die Mitglieder der Gemeinschaft, die sich um arme, alte und kranke Menschen sorgen, leben an verschiedenen Orten. Ihr geistliches Zentrum ist das Mutterhaus in Speyer. Anders als die bisherigen Diakonissen verpflichten sich die Frauen und Männer nicht zu Ehelosigkeit, Gehaltsverzicht und Verfügbarkeit. Im Oktober ist ein erstes Grundlagenseminar für eine theologisch-diakonische Ausbildung geplant.

„Neue Zeiten brauchen neuen Formen“, bringt die Oberin das neue Konzept auf den Punkt. Das Grüppchen der Speyerer Diakonissen, die dem Kaiserswerther Verband deutscher Diakonissen-Mutterhäuser angehören, ist seit Jahren stark überaltert. Im aktiven Dienst steht nur noch Schwester Isabelle Wien. Schon länger gibt es Diakonissen in neuer Form in anderen Teilen Deutschlands, nur der Süden sei konservativer, sagt sie. Deshalb gebe sie nun den Anstoß für eine Erneuerung der Gemeinschaft: „Ich will sichtbar vorangehen, die Lebensform der Diakonisse transformieren und ihren Geist in eine neue Zeit tragen.“

Deshalb sei Pfingsten – das Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes – gerade auch im Jahr des 500. Reformationsjubiläums der richtige Zeitpunkt, um nötige Veränderungen anzugehen. Nur noch 22 hochbetagte Schwestern leben im Mutterhaus. Vor einem Vierteljahrhundert, als sich die damals 20-Jährige der Gemeinschaft anschloss, waren es noch 140 Diakonissen. Die im Ruhestand lebenden Diakonissen tragen weiter ihre Tracht.

Die Neuen werden in der Öffentlichkeit an der Halskette mit Kreuzbrosche erkennbar sein, erzählt Pfarrerin Kloss. Die 38-jährige verheiratete Mutter von drei Kindern freut sich darauf, eine neue Form von diakonischer Gemeinschaft zu erproben, bei der sich jeder nach seinen Möglichkeiten einbringen kann. Ihre Familie trage ihre Entscheidung für das neue Amt gerne mit, gerade die Kinder seien begeistert: „Sie werden von den Schwestern mit Geschenken, Schokolade und ganz viel Liebe beschenkt“, sagt die Theologin.

Oberin Wien und Pfarrerin Kloss sind davon überzeugt, dass das neue Modell diakonischer Gemeinschaft erfolgreich sein kann. Einige Interessenten hätten sich bereits dafür gefunden. Zusätzlich zur neuen diakonischen Lebensform öffnet sich übrigens die Gemeinschaft der Diakonischen Schwestern und Brüder ökumenisch: Sie heißt zukünftig Menschen aller christlichen Konfessionen willkommen. Alexander Lang

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