Wenn Vernunft die Macht gefährdet

von Klaus Koch

Klaus Koch

Viele Sozialdemokraten sind sicher: Die Wirtschafts- und Sozialreformen der Regierung Schröder waren der Anfang des Niedergangs der Partei. Dabei wird häufig vergessen, dass eine Mehrheit der Deutschen vor der rot-grünen Agenda-Politik davon überzeugt war, dass Reformen für den Wohlstand in Deutschland notwendig sind. Doch danach fühlten sich viele als Verlierer. Der Wirtschaft, dem diffusen Großen und Ganzen, ging es besser, aber die eigene soziale Absicherung war schlechter, der eigene Arbeitsplatz oder der der Kinder prekärer.

Es sind solche Mechanismen, die den Verdruss an der Demokratie erhöhen. Ob in der Euro-Krise, bei Rentenreformen oder in der Flüchtlingspolitik – immer wurde den Menschen erzählt, etwas sei alternativlos oder doch zumindest zu schaffen. Das war ja auch oft richtig. Aber bei den Menschen ist der Eindruck geblieben: Die politischen Eliten bestellen, das Volk bezahlt. Ein ideales ­Einfallstor für Populisten.

Nun sind die Politiker erschrocken, dass das Volk es nicht mehr anerkennt, wie gut sie es mit ihm meinen. Deshalb geht es auch in der Klimapolitik nicht voran. Eine Mehrheit will zwar die Klimawende. Doch diese Mehrheit will nicht deutlich mehr für Fleisch, Benzin oder den Urlaubsflug bezahlen. Ganz zu schweigen von dem Verzicht auf diese Dinge. Es paralysiert Politik, wenn vernünftiges, nachhaltiges oder moralisches Handeln Machtverlust bedeuten kann. Die Lösung dieses Widerspruchs wird für Politik und Bürger gleichermaßen schwer. Beide müssen lernen, dass Reden und Zuhören Grundvoraussetzungen einer Demokratie sind. Das sture ­Behaupten der eigenen und das strikte Verunglimpfen der gegnerischen Position hingegen ist ihr schleichender Niedergang.

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