Selbstbestimmung am Ende des Lebens

von Martin Schuck

Martin Schuck

Wenn der Deutsche Bundestag im Herbst über vier Gesetzesentwürfe zur Sterbehilfe entscheidet, tun die Parteien gut daran, den Fraktionszwang aufzuheben. Fragen von Leben und Tod berühren die tiefsten Belange der menschlichen Existenz, und jeder, der darüber entscheiden muss, sollte nur seinem Gewissen verantwortlich sein. Klar ist aber, dass entschieden werden muss, denn die gegenwärtige Rechtslage ist vor allem für Ärzte unbefriedigend. Diese müssen mit dem Widerspruch umgehen, dass ein Arzt zwar zum Suizid straffrei Beihilfe leisten darf, jedoch lebensrettend eingreifen muss, nachdem der Suizidversuch des Patienten erfolgt ist.

Sucht ein Abgeordneter Orientierung in evangelischen Verlautbarungen, dann stößt er auf die gleichen Widersprüche, denen er auch sonst begegnet: Grundsätzlich lehnen Vertreter evangelischer Kirchen gesetzliche Regelungen ab, die eine medizinische Unterstützung zum Suizid schwer kranker Menschen ermöglichen würden. Aber für Ausnahmen zeigt der eine oder andere schon Verständnis. Vor einem Jahr sagte der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, er betrachte zwar jede Art von Sterbehilfe als inakzeptabel, werde aber seine krebskranke Frau begleiten, wenn sie Sterbehilfe wünsche – gegen seine Überzeugung, aus Liebe.

Ein striktes Verbot von Sterbehilfe widerspricht den Grundsätzen evangelischer Ethik. Diese muss nämlich um der Sache willen auf Eindeutigkeit verzichten und kann auch keine „Lehramtsmeinung“ vorlegen, die für jeden Protestanten verbindlich ist. Evangelische Ethik ist Ethik der Freiheit. Deshalb muss der Mensch mit seinem Wunsch auf Selbstbestimmung im Mittelpunkt stehen. Das gilt auch am Ende des Lebens.

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