Der Skandal um die ungleiche Bezahlung

von Klaus Koch

Klaus Koch

Bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifika­tion verdienen Männer in Deutschland ­sieben Prozent mehr als Frauen. Das ist himmelschreiend ungerecht. Betrachtet man Männer und Frauen unabhängig von ihrer Tätigkeit, so beträgt der Unterschied über 20 Prozent. Diese Differenz ist seit ­Jahren konstant und sagt einiges aus über den Charakter unserer Gesellschaft.

Im Schnitt machen die Mädchen das bessere Abitur, und sie haben zahlenmäßig die Jungs an den Universitäten eingeholt. Doch wenn Kinder kommen, sind es meist die Frauen, die zu Hause bleiben und danach in Teilzeit arbeiten. Der Skandal der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen hat aber noch einen anderen Grund. Frauen zieht es traditionell stärker in soziale Berufe. Sie pflegen Alte und Kranke, betreuen und erziehen die Kinder. Und das wird schlechter bezahlt als das Reparieren von Autos oder das Bedienen technischer Maschinen.

Und was schlagen viele Ökonomen als Ausweg aus diesem Dilemma vor? Frauen müssten stärker motiviert werden, in technische oder naturwissenschaftliche Berufe zu gehen. Dann löse sich die Gehaltsdiskrepanz ganz von alleine. Schließlich brauche die Wirtschaft Fachkräfte. Wie zynisch dieses Argument ist, wird auf den zweiten Blick deutlich. Denn wieder einmal zählt der Profit mehr als der Mensch. Wo zählbarer Mehrwert erwirtschaftet wird, wird auch mehr verdient. Schön doof, wer da Alte pflegt, Behinderte betreut oder Kleinkinder erzieht. Neben der ungleichen Bezahlung ist es die zweite Unverschämtheit, den Frauen zu raten, für ein besseres Gehalt einfach die Finger von sozialen Berufen zu lassen. Eine menschenwür­dige Gesellschaft löst das Prob­lem anders: Sie bezahlt die sozialen Berufe besser.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare