Das Wetter und die Gottesfurcht

von Klaus Koch

Klaus Koch

In unseren Breitengraden schien das Wetter immer ein demokratisches Gesprächsthema zu sein. Jeder hatte ja das gleiche. Was für ein Wetter – war ein unverfänglicher ­Gesprächsbeginn, kein Fettnäpfchen drohte und keine Blamage mangels Sachkenntnis. Inzwischen ist das Thema jedoch politisch aufgeladen. Was schon die Frage an einen überzeugten Grünen verrät, wie er es sich erlauben ­könne, über den Klimawandel zu klagen und gleichzeitig zweimal jährlich in den ­Urlaub zu fliegen. Dieser ökologische ­Fußabdruck sei ein Skandal.

Das Wetter hat die Unschuld verloren. In Form des Klimawandels steht es in einer Reihe mit Begriffen wie Globalisierung, Migration, Terror, Krieg oder weltweite Armut. Jeder, der halbwegs bei Verstand ist, weiß, dass diese Probleme nicht gottgegeben, sondern von Menschen verursacht sind. Und jeder weiß, dass die Menschen im nördlichen Teil der Welt durch ihre Lebensweise einen Großteil dieser Probleme erzeugen. Doch leider weiß auch jeder, dass ein radikaler Wandel seiner Lebensweise seine verbleibende Lebenszeit nicht nur ein wenig unbequemer macht, sondern auch nutzlos bleibt, wenn er nicht viele Mitstreiter findet.

In alttestamentarischen Zeiten hatten es die Menschen da leichter. Katastrophen wie Krieg, Dürre, Insektenplage oder Sintflut ­waren erklärbar. Der Mensch hatte wider Gott gesündigt und erhielt nun seine gerechte Strafe. Lebte er wieder gottgefällig, war er auf der sicheren Seite. Doch in der Neuzeit wurde diese Gottesfurcht durch viele diffuse Ängste abgelöst, gegen die der Einzelne sich machtlos fühlt. Die Folge ist ein Paradox: ­Obwohl sie es besser wissen, leben die ­Menschen im reichen Teil der Welt so, dass sie die ganze Welt schlechter machen.

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