Christlicher „Soli“ existiert noch heute

von Martin Schuck

Martin Schuck

Solidarität ist in den Augen fast aller Menschen eine gute Sache. Wenn eine neue Steuer Solidaritätszuschlag genannt wird, kann der Gesetzgeber darauf hoffen, dass diese Steuer Akzeptanz findet, wenn sie als Zuwendung für finanziell Schwächere eingesetzt wird. Beim Solidaritätszuschlag auf die Lohn- und Einkommenssteuer, kurz „Soli“ genannt, war dies anfangs der Fall. Ab 1991 sollte diese Sondersteuer dem Aufbau der neuen Bundesländer zugutekommen. Inzwischen erinnert der „Soli“ jedoch ein wenig an die Sektsteuer, die ab 1912 helfen sollte, die kaiserliche Kriegsflotte zu finanzieren; diese wurde 1919 versenkt, aber die Sektsteuer gibt es noch heute.

Wenn seit einigen Jahren Klagen aus westdeutschen Kommunen zu hören sind, die Straßen und öffentlichen Gebäude in Gelsenkirchen oder Pirmasens seien in einem deutlich schlechteren Zustand als in Dresden oder Potsdam, dann spricht das nicht grundsätzlich gegen den Fortbestand einer als Steuer erhobenen Solidarabgabe. Eine solche Abgabe, die alle bezahlen müssen, muss aber dort eingesetzt werden, wo sie am notwendigsten gebraucht wird. Wie so oft, können Bibel und Kirchengeschichte eine gute Orientierung geben. In 1. Korinther 16 fordert Paulus die Gemeinde in Korinth auf, es den Gemeinden in Galatien gleichzutun und für die Christen in Jerusalem zu sammeln. Die im Gottesdienst gesammelte Kollekte ist der erste bekannte „Soli“. Dieser existiert auch fast 2000 Jahre später noch, obwohl der Anteil, der nach Jerusalem geht, verschwindend gering ist. Aber es gehört zur Überzeugung der Christen, dass die Kollekte als christlicher „Soli“ eine Berechtigung hat, solange es irgendwo auf der Welt Christen gibt, die Unterstützung brauchen.

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