Die Sehnsucht nach der heilen Welt

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

In freier und geheimer Wahl haben die Bürgerinnen und Bürger ihren Willen bekundet, wer sie in den nächsten vier Jahren im Deutschen Bundestag vertreten soll. Sie haben damit auch zum Ausdruck gebracht, wie sie die bisherige Politik der etablierten Parteien bewerten. „Schockierend“ ist daher nicht das Abschneiden der AfD, sondern das ungestörte Reifen solcher Wahlentscheidungen. Politik und Kirche ist es nicht gelungen, einen offenen Dialog mit jenen Menschen anzuzetteln, die sich zurückgesetzt fühlen und jetzt den rechten Rand der Gesellschaft bevölkern. Dieses Wahlergebnis ist ehrlich, die Flüchtlingspolitik war es nicht.

Ein ungeschminktes Schlaglicht wirft das Wahlergebnis auch auf den Zustand Deutschlands in Ost und West. Nach mehr als 25 Jahren „Deutsche Einheit“ liegt die AfD in den „neuen“ Ländern bei rund 20 Prozent; in Sachsen erhielt sie mit 27 Prozent gar die meisten Stimmen. Das ist ein Alarmzeichen für eine Gesellschaft, die schon seit 1990 zusammenwachsen soll. Die Spuren des „realexistierenden Sozialismus“ mit seiner Abschottung und dem Zurückdrängen christlicher Einflüsse sind nachhaltiger als gedacht.

Hinter allem steht die Sehnsucht nach der heilen Welt, die es niemals gab und im Zeitalter der Globalisierung und der Flüchtlingsströme schon gar nicht gibt. Das Gefühl der Zurücksetzung, das angesichts der Kinder-, Alters- und Bildungsarmut nachvollziehbar ist, sucht nach der schlichten Antwort auf die Misere. Wenn die veröffentlichte Meinung dann auch noch in „Gutmenschen“ und „Nazis“ unterteilt, muss sich niemand mehr über das Wahlergebnis wundern. Wann kümmern sich Kirche und Politik endlich um die Wähler der AfD? So viele „Nazis“ gibt es auch in Sachsen nicht.

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