Wenn Kirche nach dem Beifall schielt

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Der Verein Deutsche Sprache hat die evangelische Kirche zum „Sprachpanscher des Jahres“ gekürt – ausgerechnet im Jahr Martin Luthers, der mit seiner Bibel-Übersetzung für die deutsche Sprache so viel geleistet hat wie kein Zweiter (oder vielleicht gerade deshalb). Der Verein Deutsche Sprache ist ein honoriger Verein, der nach eigenen Angaben weltweit mehr als 36 000 Mitglieder zählt und Deutsch als eigenständige Kultursprache fördern will. Die für kirchliche Außendarstellung verantwortlichen Theologen vertreten dieses Anliegen wohl nicht allesamt.

Wie sonst wäre es zu erklären, dass sich die Kirche im 500. Jahr des Thesenanschlags Luthers mit Wortschöpfungen wie „Godspots“, „Moments of Blessing“ oder „BlessU-2“ sprachlich entblättert: etwa durch den Versuch, dem Zeitgeist hinterherzuhechten und sich so Beifall heischend an der zunehmenden Infantilisierung der Gesellschaft zu beteiligen? Luther hat die Reformation durch existenziell erkämpfte Worte und deren Verbreitung durch das neue Medium des Buchdrucks ausgelöst, nicht aber durch Anpassung an den Zeitgeist des Mittelalters. Ganz gewiss nicht! Ganz im Gegenteil!

Die Kirche sollte nicht in den Mainstream postmoderner Wortschöpfer abtauchen, der Ziffern und Buchstaben in Groß- und Kleinschreibung mitten im Wort beliebig mixt. Mit Grammatik und Rechtschreibung hat das nichts zu tun, auch nicht mit dem oft sperrigen Auftrag, das Evangelium zu verkünden. Dabei geht es immer wieder um die Glaubwürdigkeit des Menschen, der die Botschaft transportiert. Das galt angesichts der Verfolgung im Römischen Reich, und das gilt auch angesichts der Verführungen der Postmoderne. Also bitte, erspart uns wenigstens den Sprach-Cocktail „Prayers on the Beach“.

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