Rettung Richtung Europa oder Afrika?

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

„Nichts Genaues weiß man nicht.“ Aber ­irgendetwas wird schon dran sein an dem Verdacht, dass private Seenotretter im Mittelmeer die Schleuserbanden unterstützen. Ein Vorwurf wird öffentlich, es gibt keine Beweise, und dennoch verselbstständigt sich die Kritik an den Seenotrettern. Einerseits wird ihnen Zusammenarbeit mit kriminellen Schlepperbanden öffentlich unterstellt. Andererseits steht klammheimlich der Vorwurf im Raum: Mit ihren Rettungsaktionen nahe der nordafrikanischen Küste kurbeln die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die Fluchtbewegung erst richtig an.

Seit Jahresbeginn sind rund 2500 Menschen auf ihrer gefährlichen Reise über das Mittelmeer ertrunken, knapp 115000 haben überlebt. Wie viele dieser Flüchtlinge die italienische Küste ohne den Einsatz der NGOs lebend erreicht hätten, weiß niemand zu ­sagen, aber weniger wären es auf jeden Fall. Die Kritik am Engagement der Flüchtlingshelfer verweist daher auf das eigentliche Problem: Seenotrettung ist keine Aufgabe privater Initiativen, sie wäre die Aufgabe der EU.

Aber Italien wird im Stich gelassen, während vor allem osteuropäische Staaten die Aufnahme von Flüchtlingen ganz verweigern. Und so spitzt sich die nur scheinbar moralische Frage auf die Kooperation zwischen Schleppern und Rettern zu. Leben ­retten aus Barmherzigkeit ist ja nicht verwerflich. Was ist aber, wenn diese Hilfe – wie jetzt unterstellt – einer politischen Agenda unterliegt: Fluchthilfe in Absprache mit den Schleppern? Diese Debatte wird weder offen noch ehrlich geführt. Wie groß ist die ­Sogwirkung der Rettungsaktionen in Richtung Europa? Da wäre es nicht nur vielen Osteuropäern doch am liebsten: Retten ja, aber dann zurück nach Nordafrika.

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