Das hätte Luther wohl nicht gewollt

von Stefan Mendling

Stefan Mendling

2160 Gramm: Darf’s noch etwas mehr sein? So viel bringt das Programm des Kirchentags auf die Waage. Die Gäste dürfen sich demgemäß auf einen Kirchentag der Superlative freuen: In Berlin, Wittenberg, Jena, Weimar, Leipzig, Dessau, Magdeburg, Halle und Eisleben „stößt der Kirchentagsbesucher auf eine Erlebnisdichte, wie sie nur 2017 anzutreffen ist“, verrät das vier Pfund schwere Kirchentagsprogramm. „Ecclesia semper reformanda est“ – das wäre das richtige Motto für den Kirchentag im Jubiläumsjahr. Dafür hätte das Programm etwas leichter sein dürfen.

Ursprünglich hatte der Kirchentag nichts mit der Kirche am Hut: Unabhängig von ihr haben sich Menschen als „Laienbewegung“ getroffen, um sich mit ihrem Verhältnis zur Kirche auseinanderzusetzen. Dies entspricht dem „Priestertum aller Glaubenden“, das für Martin Luther ein Grundstein für eine Kirche ist, die sich auf Gottes Wort beruft. Mittlerweile ist der Kirchentag zur Bühne geworden: Vom Computerspiel-Workshop bis hin zur Erotik in der Gottesbeziehung – der Kirchentagsbesucher kann nach Herzenslust konsumieren, was ihn interessiert.

Darauf scheint der Kirchentag der Superlative aus zu sein: Besucher konsumieren, was die Kirchen anbieten. Damit das Kirchentagserlebnis noch dichter wird, gibt es eine App für das Smartphone, um noch schneller die Angebote zu finden. Der Kirchentag geht mit der Zeit. Doch das Konsumverhalten, das er damit protegiert, passt nicht zum Grundgedanken Luthers. Im ­Gegenteil: Er wollte keine Menschen, die sich alles von der Kirche vorkauen lassen, sondern Menschen, die der Kirche Impulse geben, damit sie sich nicht um sich selber dreht. Eine Kirche, die sich selbst feiert, ­hätte Luther wohl nicht gewollt.

 

 

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