Sieg der Vernunft rückt in weite Ferne

von Martin Schuck

Martin Schuck

„Die türkische Gemeinschaft und der türkische Mensch, wohin sie auch immer gehen mögen, bringen nur Liebe, Freundschaft, Ruhe und Geborgenheit mit sich. Hass und Feindschaft können niemals unsere Sache sein. Wir haben mit Streit und Auseinandersetzung nichts zu schaffen.“

Diese Worte, gesprochen von einem türkischen Politiker, stehen quer zu dem, was derzeit aus der Türkei, vor allem vom türkischen Präsidenten Erdogan, zu hören ist. Erdogan erprobt in seinem Land die Diktatur, für die er in einem Referendum über eine Verfassungsänderung eine Stimmenmehrheit der türkischen Bevölkerung haben möchte. Da in Deutschland über eine Million türkische Staatsangehörige leben und am Ende wohl jede Stimme nötig sein wird, um das gewünschte Präsidialsystem einführen zu können, muss aus Sicht der türkischen Regierung der Wahlkampf auch im Ausland geführt werden. Dabei überrascht die Selbstherrlichkeit, mit der türkische Minister Auftritte in deutschen Städten einfordern. Die verbalen Rundumschläge des Staatspräsidenten scheinen geeignet, die Minister unserer Bundesregierung nahezu sprachlos und handlungsunfähig zu machen. Jedenfalls hat noch keiner laut protestiert über die Unverschämtheit, im Namen der Meinungsfreiheit von einem fremden Land zu fordern, dort dafür werben zu dürfen, daheim im eigenen Land die Meinungsfreiheit abzuschaffen.

Wer nun die Hoffnung hegt, dass in der Türkei die Vernunft siegt und Politiker wie der oben zitierte wieder die öffentliche Meinung prägen, muss enttäuscht werden. Jener Politiker ist niemand anderes als Recep Tay­yip Erdogan. Die freundlichen Sätze des damaligen Ministerpräsidenten waren im Jahr 2008 in der Zeitung „Die Welt“ zu lesen.

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