Trumps Weg aus der Zivilisation

von Martin Schuck

Martin Schuck

„Reißen Sie diese Mauer nieder, Mister ­Gorbatschow!“, rief vor fast 30 Jahren der amerikanische Präsident Ronald Reagan bei einem Besuch im damaligen West-Berlin. Und schon einmal, 24 Jahre früher, stand John F. Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg und sagte den historischen Satz: „Ich bin ein Berliner.“ Kennedy hatte zu Beginn seiner Amtszeit als amerikanischer Präsident den Mauerbau hinnehmen müssen.

Seit dem jüngsten Wahlkampf scheint sich das Verhältnis amerikanischer Präsidenten zu Mauern grundlegend geändert zu haben, denn nun tritt der neue amerikanische Präsident Donald Trump selbst als oberster Bauherr auf: Die Grenze nach Mexiko soll durch eine Mauer vor Einwanderern gesichert werden, und Mexiko soll diese Mauer auch noch selbst bezahlen. Und das ist nur eine von vielen ausgrenzenden Maßnahmen, die im Tagesrhythmus bekannt gegeben werden. Das vorläufig letzte Dekret dieser Art ist ein generelles Einreiseverbot für Menschen aus sieben islamischen Staaten.

In Psalm 30 ist zu lesen, wie ein Mensch betet: „Denn mit dir kann ich Kriegsvolk zerschlagen und mit meinem Gott über Mauern springen.“ Aufmerken lässt die Verbindung von Mauern und Kriegsvolk. Schon zu biblischen Zeiten dienten Mauern zum Schutz gegen kriegerische Eindringlinge. Das blieb so bis ins Mittelalter, wo jede Stadt eine Mauer hatte. Spätestens seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges haben die Menschen angefangen umzudenken. Mauern konnten weder Kriege noch Zerstörung verhindern. Deshalb verzichten zivilisierte Gesellschaften auf Mauern, denn diese lösen keine Probleme. Es bleibt zu wünschen, dass die amerikanische Gesellschaft ihrem Präsidenten nicht auf dem Weg aus der Zivilisation hinaus folgt.

 

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