Vernunft hat keine Konjunktur

von Klaus Koch

Klaus Koch

Syrer, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, haben einen Syrer, der als Terrorist nach Deutschland gekommen ist, dingfest gemacht und der Polizei übergeben. Wenn die Lage nicht so ernst wäre, müsste man fast lachen. Ist Angela Merkels Flüchtlingspolitik nun nur daran schuld, dass Terroristen ins Land kommen oder auch daran, dass mutige Menschen gekommen sind, die der deutschen Polizei helfen? Das Klima in der öffentlichen Debatte ist jedenfalls so, dass der sachliche und fundierte Austausch von Argumenten immer weniger gelingt.

Und die Gespräche werden für die Anhänger einer zivilisierten Diskussionskultur zunehmend mühsam. Resignation breitet sich aus angesichts der Tatsache, dass gut recherchierte und fundierte Beiträge seriöser Medien vielfach als Machwerke der „Lügenpresse“ diffamiert werden, während jede noch so abstruse Räuberpistole im Internet über Flüchtlinge, die angeblich in Saus und Braus leben und die Sozialsysteme ausplündern, nahezu besinnungslos als wahr übernommen wird. Die Wissenschaft hat sogar schon Begriffe für dieses Phänomen gefunden. Sie bezeichnet solche mit keinerlei Realität verbundenen Argumente als post- oder kontrafaktisch. Dabei sind sie einfach nur dämlich.

Doch auch wenn derzeit die Vernunft nicht gerade Hochkonjunktur hat, ist es falsch, wenn der Klügere nachgibt und schweigt. Dann nämlich bestimmen die Dummen das Meinungsklima. Wer nicht in einem Land leben will, in dem dumpfer Nationalismus und unverhohlener Rassismus mehr und mehr an Raum gewinnen, muss den Mund aufmachen. Auch wenn es hin und wieder nervtötend und frustrierend ist. Denn für ein gelingendes Gemeinwesen gibt es zur Vernunft keine Alternative.

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