Der Treueeid ist nicht mehr zeitgemäß

von Martin Schuck

Martin Schuck

 

Wenn der neue Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am 27. August im Mainzer Dom seine Bischofsweihe erhält und feierlich in sein Amt eingeführt wird, muss er nach dem Kirchenrecht dem Papst einen Treueeid leisten. Aber nicht nur dem Papst gegenüber ist der Bischof zur Treue verpflichtet, sondern auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen, über die sich sein Bistum erstreckt.

Diesen Treueeid hat Kohlgraf bereits vor seiner Amtseinführung am 8. August im Beisein der Ministerpräsidenten Malu Dreyer und Volker Bouffier geleistet. Darin gelobte er: „Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amts jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte.“

Der Wortlaut dieses Treueeids geht zurück auf den am 20. Juli 1933 geschlossenen Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem damaligen nationalsozialistischen Regime, das sogenannte Reichskonkordat. Dieses Konkordat wurde für notwendig erachtet, nachdem 1929 der italienische Staat unter dem faschistischen Führer Mussolini in den Lateranverträgen dem Heiligen Stuhl die Errichtung des Vatikanstaats zusicherte. Jetzt war es der katholischen Kirche möglich, diplomatische Beziehungen aufzubauen. Nach den Konflikten zwischen der katholischen Kirche mit dem protestantischen preußischen Staat im 19. Jahrhundert war vor allem der katholischen Zentrumspartei daran gelegen, die Katholiken als treue Verbündete der jeweiligen deutschen Regierung zu präsentieren.

Der Treueeid gilt im Katholizismus vielen als nicht mehr zeitgemäß. Obwohl das Reichskonkordat durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts weiterhin gültig ist, wurde in den neuen Staatskirchenverträgen wie etwa dem zur Errichtung des Erzbistums Hamburg 1994 oder dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen 1996 auf den Treueeid verzichtet. Auffällig ist auch, dass evangelische Kirchenpräsidenten oder Landesbischöfe niemals einen Treueeid sprechen, obwohl es doch auch Staatskirchenverträge mit den evangelischen Landeskirchen gibt.

Schaut man in die Geschichte des deutschen Protestantismus, wird klar, warum ein solcher Treueeid nicht nötig ist. Bis zum Ende des Kaiserreichs nach dem Ersten Weltkrieg war der jeweilige Landesherr oberste Spitze der evangelischen Kirche. Anders als die katholischen Bistümer, die Teil der katholischen Weltkirche waren, begriffen sich die seit dem 16. Jahrhundert existierenden evangelischen Landeskirchen als Teil des Staats. Diese Staatstreue wurde auch nicht angezweifelt, als die evangelischen Kirchen nach dem Ersten Weltkrieg ihre eigenen Ordnungen aufbauen mussten.

 

 

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