Wie erzählen wir Kindern die Wundergeschichten der Bibel?

Wundergeschichten der Bibel wecken beim Lesen oder Hören oft den Impuls: Das gibt es doch gar nicht! Entweder will man das glauben, weil es eben in der Bibel steht, oder man sucht nachvollziehbare Erklärungen dafür. Dabei wollen uns die Erzählungen über wunderbare und verwunderliche Geschehnisse in der Bibel eine andere Wirklichkeit zeigen: Es ist nicht alles so, wie es offensichtlich scheint. Ich sehe in einer Sache vielleicht etwas ganz anderes als du. Eine Familie versteht unter Begriffen wie „Liebe“, „Zärtlichkeit“ oder „Erziehung“ etwas anderes als eine andere. In Deutschland werden Worte und Bilder mit anderem Inhalt gefüllt als z.B. in China. Für unsere Kultur haben Begriffe eine andere Symbolik als in anderen Ländern. Und immer wieder gibt es Unerklärliches, das aus einer anderen Welt zu stammen scheint.

Wundergeschichten sind Glaubenserzählungen und sie weisen auf Gottes Wirklichkeit und Gottes Neue Welt. Mit diesen Erzählungen über Jesus wird uns quasi immer ein kleines Stückchen vom Himmel bei Gott gezeigt. Deshalb sollten Kinder Wundergeschichten nicht als objektive Berichte, sondern eher als ganz persönliche Erzählungen kennen lernen. Zu realistische Bebilderung ist da genauso fehl am Platz wie Realtheater. Eine Totenerweckung kann man nicht spielen. Das wirkt schnell lächerlich. Aber auch zu schnelle Erklärungen (da waren unter der Oberfläche Steine, deshalb konnte Jesus über das Wasser laufen) sind nicht angebracht. Das Geheimnis geheimnisvoll lassen, mit offenem Herzen staunen, die schöne Aussicht auf Gottes neue Welt darin suchen, nach dem Wert für mein Leben fragen, das alles gemeinsam mit Kindern (oder mit dem Kind) – das ist die angemessen Art, Wundergeschichten der Bibel zu begegnen.

Geschichten von einer wunderbaren Brotvermehrung werden mehrfach in der Bibel erzählt. Sie ist Ausdruck der großen Hoffnung „In Gottes Himmel wird niemand mehr hungern müssen!“. Dass Jesus so viele Menschen auf wunderbare Weise satt gemacht hat, ist eine der wichtigsten Wundergeschichten, die uns von Jesus in der Bibel erzählt wird. Alle vier Evangelisten haben dazu eine Erzählung geschrieben:

Matthäus lässt Jesus in die Einsamkeit fliehen. Aber auch dort sind viele Menschen, die ihn brauchen. Und er tut ihnen Gutes (heilt) bis am Abend die Jünger Sorge haben, dass die Situation aus dem Ruder laufen könnte. So viele Menschen, die Hunger haben – das könnte ein Problem werden. Etwas hilflos stehen die Jünger da mit fünf Broten und zwei Fischen. Vielleicht hatte die jemand aus der Menge dabei und sie ihnen gegeben, als sie nach Essbarem forschten. Und Jesus nahm Brote und Fische, danke Gott (das erinnert an Abendmahl) und die Jünger verteilen alles. Schließlich wurden alle satt. Die grenzenlosen Möglichkeiten Gottes zeigt, dass 12(!) Körbe mit Resten eingesammelt werden und dass es 5000 Männer plus Frauen und Kinder waren.

Markus lässt die Erzählung damit beginnen, dass die Jünger Jesus lieber für sich hätten. Sie suchen die Einsamkeit, aber die Menschen kommen nach. Für Markus ist wohl die Predigt wichtiger, denn hier spricht Jesus den ganzen Tag zu den Leuten. Die Jünger sehen mit Sorge auf die Menge und machen den Vorschlag: Sag ihnen, sie sollen sich jetzt in der Umgegend mal was zu Essen besorgen. Jesus beauftragt aber seine Freunde, für Essen zu sorgen. Ihr Geld reicht nicht, um genug zu kaufen. Sie treiben fünf Brote und zwei Fische in der Menge auf. Jesus teilt die Leute in Gruppen ein (damit man sie besser zählen kann?) Die Geschichte geht weiter wie bei Matthäus, nur dass hier nur 5000 Mann ohne Frauen und Kinder erwähnt werden.

Lukas weiß sogar genau den Ort, wo das Ganze stattgefunden hat: Betsaida. Jesus will eigentlich Ruhe, sieht aber die Menschen, die ihm gefolgt sind. Den ganzen Tag über heilt und erzählt er vom Reich Gottes. Hier wird ähnlich wie von Markus weiter erzählt. Jesus verhandelt mit seinen Leuten, wie man die Menge am besten satt bekommen könnte: Die 5000 Mann sollen sich in Gruppen zu je 50 setzen!. Der Schluss ist wieder wie bei den anderen.

Johannes erzählt Details, die die anderen nicht haben. Jesus zieht sich auf einen Berg am See von Tiberias zurück. Hier erfahren wir genau, wer was mit Jesus bespricht: Philippus wird gefragt, wo man Brot kaufen könnte und der äußert Zweifel, wie er das denn mit 200 Silbergroschen machen soll. Da weiß Andreas, dass ein Kind bei den Menschen ist, das fünf Brote und zwei Fische dabei hat. Die 5000 Männer lagern sich und Jesus verteilt an alle die Brote und die Fische. Alle wurden satt. Auch hier werden die Reste gesammelt. Es waren schließlich 12 Körbe.

Der Kern der Erzählung ist für alle gleich: Jesus macht mit fünf Broten und zwei Fischen 5000 Menschen satt. Das ist so wunderbar, denn es bleiben sogar 12 Körbe mit Resten übrig. Das kann man mit dem Verstand nicht begreifen. Die Zahlen z. B. sind Symbole und von Bedeutung. Man braucht auch nicht darüber nachzudenken, wie er das gemacht hat. Wichtig ist, dass Jesus gezeigt hat: Bei Gott muss niemand mehr hungern. Es wird einfach die Fülle da sein von allem, was der Mensch braucht.

Schon die alte Kirche hat erklärt, dass diese Erzählungen für uns heute noch bedeutsam sind. Sie lassen uns hoffen auf die neue Welt Gottes. Und das Himmels-Brot von damals war so reichlich, über die Maßen, dass es bis heute reicht. Immer, wenn wir beim Abendmahl das Brot teilen und essen, können wir ein wenig von dieser himmlischen Hoffnung schmecken.

Unsere eigenen Kinder haben das Bilderbuch „Und alle wurden satt“ von Bunshu Iguchi geliebt. Es ist kindgemäß erzählt – Kinder spielen eine wichtige Rolle. Und doch hatte ich beim ersten Anschauen Bauchweh. In der Buchmitte erklärt der Zeichner das Wunder mit durch die Luft fliegenden Broten. Es gibt dazu keinen erklärenden Text, aber das Bild ist sehr einprägsam. Und weil ich die Wirkung der Bilder auf den kindlichen Glauben kannte, habe ich das Bild einfach zugeklebt, bevor ich es den Kleinen vorgelesen habe. Jahre später habe ich dann gemerkt, dass sie natürlich versucht haben, die Blätter wieder voneinander zu lösen. Aber nur ein wenig. Ich glaube, die Abbildung hat sie dann doch enttäuscht.

Bilderbuch „Und alle wurden satt“ von Bunshu Iguchi
Bilderbuch „Und alle wurden satt“ von Bunshu Iguchi

Bunshu Iguchi
Und alle wurden satt
Ernst Kaufmann Verlag, 1989,
3-7806-2232-7