Solide Kreuzfahrt im dichten Corona-Nebel

von Karsten Packeiser

Karsten Packeiser

Perfekte Organisation, hoch motivierte Helfer, Rundum-Betreuung – vor einem halben Jahr sah es kurz so aus, als ließe sich der unheimliche Coronavirus in der Pfalz kasernieren. Auf einem Bundeswehrgelände in Germersheim wurden im Februar aus China evakuierte Bundesbürger für zwei Wochen in Quarantäne genommen. Schon kurze Zeit später platzte der Traum, von der Pandemie verschont zu bleiben. Seit sechs Monaten befinden sich Deutschland und damit Rheinland-Pfalz im Ausnahmezustand. Politik und Behörden verfügten im Express-Verfahren die schwerwiegendsten Einschränkungen für das öffentliche Lebens und die bürgerlichen Freiheiten seit 1945. Der Mainzer Landtag verabschiedete unter enormem Zeitdruck den größten Nachtragshaushalt der Landesgeschichte.

Nicht immer machte das Krisenmanagement des Landes einen guten Eindruck: So änderte sich Ende April die offizielle Haltung der Regierung zur Maskenpflicht gleich zweimal innerhalb von zehn Stunden. Das Gesundheitsministerium zankte sich mit Kommunen über den Sinn eilig in Turnhallen aufgebauter – und Gott sei Dank nie benötigter – Notlazarette. Die Wirtschaft klagte über lange Bearbeitungszeiten für Hilfsgelder. Und mit der schnell wieder einkassierten Entscheidung, nach dem Abflauen der Infektionszahlen noch vor Schulen und Kindergärten wieder Bordelle zu öffnen, wurde Rheinland-Pfalz zum Gespött der Republik. Die Corona-Krise legte außerdem gnadenlos grundlegende Mängel offen: Unterfinanzierte kleine Krankenhäuser, schlecht ausgestattete Schulen, unterbesetzte Gesundheitsämter und fehlende Vorräte an einfachsten Verbrauchsmaterialien haben den Kampf gegen Corona nicht leichter gemacht.

Dennoch kann sich die rheinland-pfälzische Krisen-Kreuzfahrt durch den dichten Nebel im Vergleich mit anderen Bundesländern sehen lassen. Eine gute Figur machte Bildungsministerin Stefanie Hubig, die es als Vorsitzende der Kultusministerkonferenz schaffte, alle Länder bei heiklen Themen wie Abiturprüfungen oder Schulneustart auf ähnlichen Kurs zu bringen. Und dann hat Rheinland-Pfalz viel dafür getan, den beschädigten europäischen Gedanken durch die Krise zu retten. Pfälzische Kliniken stellten schnell Behandlungsplätze für Patienten aus dem besonders stark betroffenen Elsass bereit. Später machte vor allem Mainz Druck auf die Bundesregierung, wieder halbwegs normale Bedingungen an den Grenzen herzustellen. Reiseverbote, scharfe Kontrollen und Barrikaden hatten bei Deutschen, Luxemburgern und Franzosen für viel böses Blut gesorgt.

Niemand weiß, wie es weitergeht mit der Krise und einer „zweiten Welle“. Aber die politisch Verantwortlichen haben bislang tatsächlich mutig Verantwortung übernommen – und nie die Zuversicht verloren. „Wir schaffen das“ gilt auch im Corona-Sommer 2020.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare