Kirchliche Kritik an den Plänen Israels

Evangelische Kommission veröffentlicht eine Stellungnahme zur geplanten Annexion im Westjordanland

Zeichen der Abgrenzung: Trennmauer im Westjordanland bei der Siedlung Modeein Elit, in der ultraorthodoxe Israelis wohnen. Foto: epd

Die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) hat eine Stellungnahme zu den Annexionsplänen der israelischen Regierung im Westjordanland veröffentlicht. Darin fordert sie die Israelis auf, die Pläne auszusetzen und appelliert an die politisch Verantwortlichen in Israel und Palästina, Verhandlungen zur Lösung des Konflikts wiederaufzunehmen. „Aus Sorge um den Frieden und um das Wohl der Menschen in Israel und Palästina kritisiert die Kommission die Pläne der israelischen Regierung, palästinensische Gebiete völkerrechtswidrig zu annektieren“, sagte der EMOK-Vorsitzende, der frühere Berliner Bischof Markus Dröge.

Die EMOK ist ein Zusammenschluss von Kirchen, Missionswerken, Hilfswerken und christlichen Organisationen, die Beziehungen zum Mittleren Osten pflegen. Im Folgenden dokumentieren wir die Stellungnahme etwas gekürzt:

1. In ihrem im Jahr 2009 verabschiedeten … Grundsatzpapier unter dem Titel „Israel-Palästina“ hat die Evangelische Mittelost-Kommission der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihre Policy zum Israel-Palästina-Konflikt dargelegt. Sie weiß sich auch weiterhin an deren Prinzipien gebunden:

– Die in einer theologischen Reflexion im jüdisch-christlichen Kontext gewonnene Erkenntnis der Verbundenheit der Kirche mit dem Judentum schließt auch das heutige Israel ein.

– Das Bewusstsein ökumenischer Gemeinschaft führt zur Solidarität mit den christlichen Kirchen in Israel und Palästina.

– In der Nachfolge Christi erhebt die Kirche ihre Stimme für Frieden und Gerechtigkeit. Sie setzt sich für die Einhaltung von Menschenrechten und Völkerrecht ein.

2. Auf der Grundlage dieser doppelten Verbundenheit hat die EMOK … mehrfach zur politischen Situation im Heiligen Land Stellung bezogen. In Sorge um den Frieden und das Wohl der in Israel und Palästina lebenden Menschen äußern wir uns kritisch zu der von der israelischen Regierung geplanten und im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Annexion des Jordantals sowie weiterer Teile des besetzten palästinensischen Gebiets. Eine solche Annexion würde gegen das Völkerrecht verstoßen.

Im Widerspruch zu dem durch die US-Regierung vorgelegten sogenannten „Peace Plan“ (Friedensplan), der für eine Annexion großer Teile des palästinensischen Westjordanlands plädiert, ist für uns weiterhin folgender Maßstab unseres Grundsatzpapiers leitend:

„Nur Recht und Gerechtigkeit können die Grundlage eines Friedens sein, der beiden Völkern ein Leben in Freiheit und Sicherheit ermöglicht. Die Achtung geltender Menschen- und Völkerrechtsnormen ist die Grundlage jeder gelingenden Friedenslösung.“

Mit dieser Stellungnahme bekräftigen wir die … Zweistaatenlösung. Diese wurde kürzlich erneut auch von der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten gefordert, darunter die Bundesregierung. … Die Umsetzung dieser Zielvorstellung scheint bereits heute gefährdet und würde bei einer Annexion weiter Teile des Westjordanlands durch den israelischen Staat möglicherweise endgültig unmöglich gemacht. Die EMOK befürchtet, dass eine Annexion radikalen Positionen in Israel und Palästina zuarbeiten würde und dadurch die Gewalt in Israel und Palästina neu aufflammen könnte. Die EMOK fragt, welchen rechtlichen Status die im geplanten Annexionsgebiet lebenden Palästinenser im Falle einer Annexion erhalten sollen.

3. Aus diesem Grund rufen wir

– die israelische Regierung auf, die Annexionspläne auszusetzen,

– die palästinensische Führung auf, interne Streitigkeiten zu beenden und sich mit einer Stimme gegen die Annexionspläne zu wenden,

– die israelische und palästinensische Zivilgesellschaft auf, sich gegen Annexion und für Verhandlungen einzusetzen,

– die politisch Verantwortlichen in Israel und Palästina auf, Verhandlungen zur Lösung des Konflikts wiederaufzunehmen,

– die Bundesregierung sowie die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedsstaaten auf, sich konsequent gegen die unilaterale Annexion von Teilen des Westjordanlands durch Israel einzusetzen und den Friedensprozess weiter zu unterstützen,

– die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft für eine zentrale Vermittlerrolle der EU zu engagieren und sich weiterhin für eine verhandelte Lösung des Israel-Palästina-Konflikts auf Basis des internationalen humanitären Völkerrechts einzusetzen.

4. Mit dieser Erklärung sehen wir uns in Übereinstimmung mit unseren ökumenischen Partnern wie dem Ökumenischen Weltrat der Kirchen und dem Mittelöstlichen Kirchenrat und nicht zuletzt den Patriarchen und Häuptern der im Heiligen Land anerkannten Kirchen. Wir verbinden diesen Aufruf mit der Hoffnung, der Stimme der Menschen im Heiligen Land bei uns Gehör zu verschaffen und ihnen ein unterstützendes Zeichen der Hoffnung auf einen gerechten Frieden in Israel und Palästina zu übermitteln. Die Evangelische Kirche in Deutschland wird auch weiterhin Initiativen unterstützen, die sich in Israel und Palästina für Begegnung, Versöhnung und einen gerechten Frieden einsetzen. KB

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