Zwischen Markt und Barmherzigkeit

von Klaus Koch

Klaus Koch

Es ist gut, dass die pfälzische Diakonie ihr 50-jähriges Bestehen auf dem Hambacher Schloss gefeiert hat. Wie wenige andere Orte in Deutschland steht das Schloss für den Willen der Menschen, in Freiheit und Demokratie zu leben. Freiheit und Demokratie allerdings sind langfristig nicht denkbar, ohne Hilfe und Sicherheit für die Schwachen, Armen und Kranken. Und zu dieser Sicherheit trägt das diakonische Handeln der Kirche entscheidend bei. In Umfragen wird immer wieder deutlich, dass die Menschen an der Institution Kirche ganz besonders das soziale Engagement schätzen. Mit den Kirchensteuermitteln, die in die Diakonie fließen, stabilisiert die Kirche also nicht nur die Gesellschaft, sondern auch sich selbst als Organisation.

Mit ihrer Liebe zum Nächsten geben gläubige Christen die Liebe an ihre Mitmenschen weiter, die sie selbst von Gott erfahren. Das gute Tun hat, das wurde durch das Reformationsjubiläum im vergangenen Jahr wieder einmal in Erinnerung gerufen, nicht den Zweck, Gott und den Menschen zu gefallen. Es ist vielmehr ein selbstverständlicher Ausdruck christlichen Glaubens. Wo immer Christen selbstlos und wohltätig ihren bedürftigen Mitmenschen begegnen, sind sie unmittelbare Zeugen ihres Glaubens.

Doch die Organisation Diakonie führt die Kirche in der säkularen, arbeitsteiligen Gesellschaft auch in ein Dilemma. Je stärker bei Feierlichkeiten und in Gottesdiensten das soziale Engagement als Wesensäußerung der Kirche hervorgehoben wird, umso schwieriger ist vielen Menschen das harte Ringen mit dem Staat um die Refinanzierung dieser Arbeit zu erklären. Diakonische Einrichtungen sind eben nicht nur Ausdruck christlicher Nächstenliebe, sondern auch ganz profane Marktteilnehmer, die wirtschaftlich bestehen müssen. Im besten Falle sind diakonische Einrichtungen von einer christlichen Atmosphäre geprägt und dem ganzen Menschen mit seinen Nöten und Bedürfnissen zugewandt. Im schlechtesten Fall ist das Etikett „christlich“ lediglich ein Marketinginstrument, das anderen Trägern und Einrichtungen pauschal unterstellt, dass dort der Mensch nicht im Mittelpunkt der Arbeit steht.

Doch die Kirche hat eine große Chance, dem Dilemma zwischen Markt und Barmherzigkeit zu entkommen. Es müsste gelingen, das vielfältige ehrenamtliche Engagement in den Gemeinden und die professionelle diakonische Arbeit in den Einrichtungen besser miteinander zu verbinden. Eine ehrenamtliche, gemeindenahe Diakonie könnte Menschen unterstützen und begleiten, bevor sie professionelle Hilfe brauchen und nachdem sie solche erfahren haben. In Zukunft wird die Zahl alter und einsamer Menschen in den Gemeinden weiter zunehmen. Sich ihrer anzunehmen, ist eine mindestens so wertvolle Wesensäußerung des christlichen Glaubens wie der Betrieb refinanzierter Beratungsstellen oder Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime.

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