Zeigerkosmetik für zufriedene EU-Bürger

von Florian Riesterer

Nach dem Willen der EU-Kommission soll es der Zeitumstellung an den Kragen gehen: 4,6 Millionen EU-Bürger haben sich an einer Online-Umfrage beteiligt, 80 Prozent wollen die Uhren nicht mehr zweimal im Jahr umstellen. Die Mehrheit davon plädiert für eine dauerhafte Sommerzeit. Ich freue mich. Nicht weil ich mit der Umstellerei unzufrieden war, sondern weil ich die Sommerzeit liebe, die genauso alt ist wie ich.

Vielleicht hänge ich deshalb so an ihr. Weil ich nichts anderes kenne von März bis September. Oder weil ich gerne nach Feierabend Gartenarbeit erledige. Bis 22 Uhr war ich in diesem Sommer am Jäten, Pflanzen oder Gießen. Damit wäre es vorbei, sollte die Sonne künftig früher untergehen. Flutlicht käme mir nicht in den Garten!

Noch ist aber nichts entschieden. Repräsentativ war die europaweite Umfrage ohnehin nicht. Zwei Drittel der Teilnehmer waren Deutsche. Bewiesen ist auch, dass diejenigen am lautesten sind, die sich Änderungen wünschen. 99 Prozent der EU-Bürger – der schweigenden Mehrheit – scheint das Zeigergeschiebe also offenbar lieber zu sein. In manchen Ecken des Kontinents besonders verständlich. Denn während bei dauerhafter Sommerzeit in Stockholm im Winter erst um Viertel vor zehn die Sonne aufginge, würde sie bei dauerhafter Winterzeit im Sommer die Schweden schon um halb drei wecken.

In Spanien wird anlässlich der Zeitgedankenspiele – wieder einmal – über die Rückkehr zur Westeuropäischen Zeit nachgedacht. Auch Frankreich und die Benelux-Staaten liegen geografisch in letzterer Zone. Schließlich ist unsere Mitteleuropäische Zeit ohnehin ein Kunstprodukt. Deshalb ist ein bisschen Zeigerkosmetik zweimal im Jahr durchaus erlaubt. Ironie wäre, wenn sich die EU gerade an der Einheitszeit entzweien würde.

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