Wenn die Politik an der Realität scheitert

von Jochen Krümpelmann

Jochen Krümpelmann

„Wir schaffen das.“ Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrer alljährlichen Sommerpressekonferenz gesagt. Gemeint war, dass Deutschland die 800 000 bis eine Million Flüchtlinge in diesem Jahr bewältigen kann. Jetzt, nur knapp zwei Wochen später, streicht die Bundesregierung die Segel und schließt vorübergehend die Grenzen zu Österreich. Soll heißen: „Wir schaffen das doch nicht.“

Die Welle der Solidarität mit den Flüchtlingen in der Bundesrepublik ist ungebrochen. Doch die politisch Verantwortlichen kommen langsam in der Realität an. Und die sieht so aus: Die Kommunen stoßen an die Grenzen ihrer organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten bei der Betreuung der Flüchtlinge. Und die EU ist nicht einmal in der Lage, sich auf einen Schlüssel zur Verteilung von 160 000 Flüchtlingen zu einigen. Wenn wir nicht wollen, dass immer mehr Flüchtlinge die „Festung Europa“ stürmen, dann müssen wir endlich die Ursachen der Flucht bekämpfen. Und das heißt, kurzfristig die Situation in den Flüchtlingslagern nahe Syrien mit mehr Geld für die UN verbessern – auf umgerechnet 6,6 Milliarden Euro in 2015 schätzen UN und Hilfsorganisationen den Bedarf, um die Flüchtlinge mit dem ­Nötigsten zu versorgen: Wasser, Lebens­mittel, Zelte, medizinische Versorgung. Bis jetzt ist nur knapp unter 40 Prozent dieser ­Summe bereitgestellt.

Langfristig muss der Konflikt in Syrien und dem Irak gelöst werden, falls nötig auch mit militärischen Mitteln. In den Ländern des Balkan und in Afrika müssen wir funktionierende Staaten aufbauen helfen, die den Menschen dort eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektive bieten. Auch wenn wir uns dafür von einem Teil unseres Wohlstands verabschieden müssen.

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