Wenn alles immer gleicher gültig wird

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Es war Wahlkampf in Niedersachsen, und CDU-Innenminister Thomas de Maizière meinte wohl, noch einige Stimmen von ­Muslimen einfangen zu können. Jedenfalls brachte er einen muslimischen Feiertag und nicht – wie theologisch näherliegend – einen jüdischen ins Gespräch. Zuspruch erhielt er pflichtschuldig vom Vorsitzenden des Zent­ral­rats der Muslime und erstaunlicherweise auch von SPD-Chef Martin Schulz, der de Maizière attestierte, ja bisher „nicht der Fantasievollste“ gewesen zu sein. Das Wahlergebnis ist bekannt, der weitere Verlauf der ministeriellen Wahlkampf-Fantasie noch nicht.

CSU und CDU kritisierten den Vorstoß de Maizières sofort. „Unser christliches Erbe ist nicht verhandelbar“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Und CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach gab zu bedenken, dass in Deutschland jeder seine religiösen Feste feiern kann. Der Schutz einer gesetzlichen Regelung sei hingegen eine andere Frage. Gerade diese Frage hatte de Maizière aber gestellt: Allerheiligen sei auch nur dort Feiertag, wo viele Katholiken lebten. Warum also nicht ein muslimischer Feiertag, wo viele Muslime leben?

Diese Idee ist delikat. Am 22. November ist der protestantische Buß- und Bettag zum 22. Mal kein gesetzlicher Feiertag mehr, weil er aus fadenscheinigen wirtschaftlichen Gründen in den meisten Bundesländern ­gestrichen wurde. Jetzt wird Allerheiligen genannt, um einen gesetzlichen Feiertag ins Gespräch zu bringen, nach dem die Muslime gar nicht fragen. Dass dieser Vorstoß aus­gerechnet in Kreisen bekennender Atheisten Unterstützung findet, muss nicht weiter verwundern in einer Gesellschaft, in der alles immer gleicher gültig wird, um dann irgendwann endgültig gleichgültig zu sein.

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