Was sich Luther wünschen würde

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

500 Jahre nach seinem Thesenanschlag im kleinen Wittenberg würde sich Martin Luther sicherlich darüber wundern, dass es in Deutschland so viele Evangelische und weltweit so viele Protestanten gibt. Und alle führen Ausprägung und Farbe ihres Glaubens auf seine damals veröffentlichte Kritik am Zustand seiner katholischen Kirche zurück. Ja, sie war seine Kirche, bis der Papst den gelehrten Quertreiber hinausgeworfen hat. Dass es sie noch immer gibt, würde ihn sicherlich freuen – auch dass die Vertreter beider Kirchen jetzt miteinander reden und sein Jubiläum gemeinsam feiern.

500 Jahre hat es gebraucht, damit sie sich bei solchen Anlässen nicht mehr gegenseitig angiften. Gut so, würde Luther meinen und fragen: Ist das alles? Steht ihnen meine Rechtfertigungslehre etwa immer noch im Weg; die Emanzipation des Menschen von der Kirche als Vermittlerin der Gnade Gottes. Ist dieser herrschaftsfreie Raum zwischen Gott und Mensch der alles entscheidende Grund, weshalb sie noch immer getrennt sind am Tisch des Herrn? Vielleicht würde er sich auch an seinen Abendmahlsstreit erinnern. Ob damals alle verstanden haben, worum es ihm und Zwingli ging?

Auf jeden Fall würde Luther nach dem Jubiläum sagen, die radikale Frage nach meinem gnädigen Gott hat in den vergangenen 500 Jahren doch mächtig an Bedeutung verloren. Vielleicht hat sich meine neue Kirche da zu sehr den Moden angepasst. Jetzt hat sie auf allen Ebenen mit vielen Events gefeiert, aber hat sie auch deutlich gemacht, warum es sie eigentlich gibt, warum es so spannend ist, die Bibel immer wieder neu zu entdecken und mit Gott gemeinsam unterwegs zu sein? Luther würde sich wünschen, dass die Reformation nach diesem Jubiläum weitergeht.

 

 

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