Von Töten und Sterben keine Spur

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Mit 17 Jahren dürfen junge Leute zwar Bier und Wein kaufen, aber keinen Schnaps. Rauchen ist ihnen selbstverständlich ebenfalls verboten, wenigstens in der Theorie. In der Disco, in Kino und Kneipe ist für sie um 24 Uhr Schluss. Autofahren dürfen 17-Jährige nur mit Einschränkungen. Aber sie dürfen zur Bundeswehr und dort unter anderem lernen, wie man Leute umbringt.

Deutschland ist neben den USA und Großbritannien der einzige große Industriestaat, der Minderjährige rekrutiert. Das ist eine äußerst fragwürdige Praxis. Im Strafrecht genießen Jugendliche – und junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr – schließlich einen Sonderstatus, weil ihr Urteilsvermögen als noch nicht ausgereift gilt. Auch wenn ihr Einsatz bei Kampfeinsätzen im Ausland (noch) ausgeschlossen scheint, trainieren sie bei der Bundeswehr aber bereits Entscheidungen über Leben und Tod.

Widersprüchlich sind auch die Methoden, mit denen die Bundeswehr um Freiwillige wirbt. Seit dem Ende der allgemeinen Wehrpflicht vor acht Jahren wird die Armee von massiven Nachwuchssorgen geplagt. Es ist ihr gutes Recht, sich um junge Leute in deren Lebenswirklichkeit zu bemühen, und die ist heutzutage das Internet. Mit Youtube-Filmchen, in denen sich die Bundeswehr als eine Art exklusiver Veranstalter von Abenteuerurlaub präsentiert, schießt sie über das Ziel aber deutlich hinaus. Schon die Sprache ist verräterisch. Von Töten und Sterben keine Spur. „Ihr Ziel ist es, eine Führungspersönlichkeit zu eliminieren“, heißt es in einem Werbespot zur Ausbildung von Scharfschützen. Oder es gilt, den Gegner „auszuschalten“. Ein anderer Trupp soll „feindliche Kräfte niederhalten“.

Natürlich sind die Soldatinnen und Soldaten „eine eingeschworene Gemeinschaft“, im Vordergrund steht immer die „Kameradschaft“. Der Bundeswehreinsatz in Mali, zur Ausbildung und Unterstützung der Armee des westafrikanischen Landes gegen Tuareg-Rebellen gedacht, diente vor zwei Jahren für eine ganze Serie von Kurzfilmen als anschauliche Folie. Wie wenig das aber mit Abenteuerurlaub zu tun hat, zeigte sich erst vor ein paar Tagen, als deutsche und malische Soldaten sich aus Versehen gegenseitig unter Feuer nahmen.

Kein Wunder, dass Friedensaktivisten auch aus dem Bereich der Kirchen daran Anstoß nehmen. Unglücklich – das ist noch zurückhaltend formuliert – ist jedoch die Verknüpfung der Kritik der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) mit dem weltweiten „Red Hand Day“ gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Gewiss ist die Verharmlosung des Soldatenberufs in der Bundeswehrwerbung ebenso abzulehnen wie die Fokussierung auf Minderjährige. Mit den üblen Machenschaften afrikanischer Armeen und Warlords, aus Kindern Killer zu machen, ist das Treiben der Bundeswehr aber nun wirklich nicht zu vergleichen.

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