Vom Verzicht zur guten Gesinnung

von Martin Schuck

Martin Schuck

Evangelische fasten anders als Katholiken oder Orthodoxe. Das rührt daher, dass die ­Reformation die Heilsnotwendigkeit des Fastens rundheraus bestritten hat. Martin Luther fand nach seinem Eintritt ins Kloster die Lehre vor, wonach das Einhalten von Fastenzeiten notwendig sei, um vor Gott Gerechtigkeit zu erlangen. Dagegen stellte er die Lehre, dass die Sünden umsonst um Christi willen vergeben werden. Das Fasten hatte seinen religiösen Sinn verloren und wurde in den nächsten 450 Jahren in den evangelischen Kirchen nicht mehr praktiziert.

Vor gut 30 Jahren fand sich in der Nordelbischen Kirche eine Gruppe evangelischer Christen zusammen, die das Fasten wiederentdecken wollten. Dabei ging es ihnen nicht um Sündenvergebung, sondern um bewusste Gestaltung des Alltags. Während der Passionszeit sollte durch den Verzicht auf eine lieb gewordene Gewohnheit das eigene Konsumverhalten hinterfragt werden. Unter dem Motto „Sieben Wochen Ohne“ wurde diese evangelische Art zu fasten zu einem großen Erfolg mit immer mehr Teilnehmern.

Seit die Aktion „Sieben Wochen Ohne“ über das Gemeinschaftswerk für evangelische Publizistik zentral betrieben wird, hat sich ihr Charakter sichtbar verändert. Es geht nicht mehr um den Verzicht auf Gewohnheiten wie Rauchen oder den Konsum von Alkohol und Süßigkeiten, sondern um Steuerung des sozialen Verhaltens. Sieben Wochen ohne Ausreden, ohne falschen Ehrgeiz, ohne falsche Gewissheiten oder, wie in diesem Jahr, ohne Runtermachen hat wenig mit der ursprünglichen Idee des bewussten Verzichts zu tun, aber viel mit dem Gedanken, dass Christen zu gutgesinnten Menschen erzogen werden können. Wenn das nur mal keine neue Form von Werkgerechtigkeit ist!

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