Religionsfreiheit in der Corona-Krise

von Martin Schuck

Martin Schuck

„Wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Dieser Jesus zugeschriebene Satz aus dem Matthäus-Evangelium definiert klar, was Kirche ist: eine Versammlung von Menschen im Namen Jesu. Aber dieser Konsens wird in Zeiten der Corona-Krise hinfällig, denn eine öffentliche Versammlung von drei Personen geht nicht mehr, weil sich nur noch zwei Personen gleichzeitig öffentlich treffen dürfen. In den Kirchen können sich deshalb nur noch Einzelpersonen mit dem Pfarrer treffen.

Man muss sich klarmachen, was das bedeutet: Es ist in der jüngeren Geschichte das erste und einzige Mal, dass den Kirchen von staatlicher Seite das normale Gemeindeleben einschließlich der Gottesdienste verboten wird. Das gab es weder in den beiden Weltkriegen noch in der Zeit des Nationalsozialismus oder im Sozialismus in der DDR. So sorgt die Corona-Krise für eine nie dagewesene Einschränkung der Religionsfreiheit, der sich die Kirchen zwar aus gutem Grund fügen, über deren Folgen aber zu reden sein wird, wenn es wieder ein normales gesellschaftliches Leben gibt.

Glücklicherweise zeichnet sich ab, dass die Kirchen diese Einschränkung gut überstehen werden. Die Krise zwingt dazu, neue Formen kirchlicher Kommunikation zu finden und auszuprobieren. Was wir derzeit erleben, ist ein Modernisierungsschub, der sowieso fällig gewesen wäre. Menschen nutzen in ungewöhnlich großer Zahl die digitalen Angebote der Kirchengemeinden, und viele Pfarrer sehen sich jetzt erstmals gezwungen, über diese Form des Gemeindeaufbaus nachzudenken. Der Satz Jesu behält auch dann seine Gültigkeit, wenn Versammlungen in der realen Welt durch digitale Kommunikation ersetzt werden müssen.

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