Polen sind im Widerstand geübt

von Martin Schuck

Martin Schuck

Nicht jede Regierung eines Landes, das die Aufnahme in die Europäische Union geschafft hat, muss zwangsläufig die europäischen Grundwerte verinnerlicht haben. Wie viel Nachholbedarf besteht, demonstriert derzeit die neue nationalkonservative Regierung in Polen. Diese hat ein Mediengesetz erlassen, das die Pressefreiheit in den öffentlich-rechtlichen Sendern faktisch abschafft.

Wie fast alle Regierungen mit totalitären Allüren begründen auch die Politiker der ­Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) ihr Gesetz damit, dass nun alles besser werde als vorher. Bei den öffentlich-recht­lichen Sendern in Polen werde nun wieder eine größere Vielfalt herrschen – und das, obwohl künftig ein von der Regierung kontrollierter Medienrat über die Aufsichtsratsmandate und Vorstandsämter entscheiden soll. Es ist verräterisch, wenn der Parteivorsitzende der PiS, Jaroslaw Kaczynski, erklärt, die öffentlich-rechtlichen Sender ­sollten zu „Kulturinstitutionen unter dem Patronat eines nationalen Medienrates“ ­werden. Wer so spricht, will keinen unabhängigen Journalismus, sondern allenfalls Hofberichterstattung mit dem Ziel, die ­Arbeit der Regierung schönzureden.

Anlass zur Hoffnung besteht darin, dass die polnische Bevölkerung sich diese Entmündigung nicht kampflos bieten lässt. Schon gibt es Aufrufe zum Widerstand, und diese stehen in einer Tradition, die gut zu Europa passt: Nicht erst 1980, als die Arbeiter der Lenin-Werft in Danzig die Gewerkschaft „Solidarnosc“ gründeten, zeigten die Polen Sinn für europäische Werte. Schon 1832 nahmen beim Hambacher Fest Demokraten aus Polen teil, die zusammen mit ­ihren deutschen Gesinnungsgenossen für Demokratie und Pressefreiheit kämpften.

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