Neue Erwartungen an die Islamverbände

von Karsten Packeiser

Karsten Packeiser

Mehrere Jahre lang verhandelte das Land Rheinland-Pfalz mit mehreren Islamverbänden über eine Art Kirchenstaatsvertrag. Wichtigstes Ziel dabei sollte der Aufbau von landesweitem islamischen Religionsunterricht werden. Inzwischen ist klar: So einfach, wie seinerzeit noch unter dem früheren Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) vom Land erhofft, lässt das Vorhaben sich nicht umsetzen. Denn für die Gleichberechtigung der Muslime braucht die Regierung Partner unter den muslimischen Verbänden – und an deren Eignung gibt es nun zu große Zweifel.

Der für Religionsgemeinschaften zuständige Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD) gab bekannt: Bis auf Weiteres werde es keine Vertragsverhandlungen mit den vier Islamverbänden Ditib, Schura, VIKZ und der Reformgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat mehr geben. Man wolle aber „im Gespräch bleiben“. Schon zuvor – seit 2016 – waren die Verhandlungen „auf Eis gelegt“ worden. Hinter der etwas verwirrenden Sprachregelung des Ministeriums steht eine Ansage an die Islamverbände: Sie müssen eine Reihe von Vorbedingungen erfüllen, bevor das Land wieder ernsthaft den Abschluss eines Vertrags mit ihnen prüft.

Bis dahin soll der islamische Religionsunterricht als Modellversuch langsam weiter ausgebaut werden, außerdem will das Land eigene Lehrstühle für islamische Theologie einrichten, obwohl auch dafür auf islamischer Seite eigentlich Partner vorhanden sein müssten. Die Landesregierung will mit diesem Kurs verhindern, dass sich die rund 200?000 Muslime im Land als Bürger zweiter Klasse fühlen und zugleich der Landtagsopposition den Wind aus den Segeln nehmen.

Anlass für den Kurswechsel in Sachen Islam sind zwei neue Gutachten des Kölner Kirchenrechtlers Stefan Muckel und des Passauer Religionswissenschaftlers Christoph Bochinger. Beide Experten hatten 2014 und 2015 erklärt, die vier Verbände in Rheinland-Pfalz seien grundsätzlich als Partner für den konfessionellen islamischen Religionsunterricht geeignet. Inzwischen überwiegen die Zweifel.

In den vergangenen Jahren habe ­Ditib vielen türkischen Muslimen als Bollwerk gegen radikale Einflüsse gegolten, sagt Bochinger. Doch die Rolle der Religionsbehörde habe sich unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse in der Türkei verändert. Auch bei der erst vor wenigen Jahren gegründeten Schura setzen die beiden Experten jetzt große Fragezeichen. Durch Austritte und Eintritte der Milli-Görüs-Gemeinden habe sich die Zusammensetzung der Schura grundlegend verändert. Außerdem würden drei Mitgliedsgemeinden vom Verfassungsschutz beobachtet.

Weder Ditib noch Schura seien unter diesen Umständen als Vertragspartner geeignet, diesem Votum schließt sich auch das Land an. „Wir werden mit den Verbänden fair umgehen, aber wir haben klare Erwartungen und klare Rahmenbedingungen“, sagt Wolf.

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