Mit Vernunft und Nächstenliebe

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Von Jordanien und von Libanon aus betrachtet mutet die deutsche Debatte um die Länge der Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ einfach nur gespenstisch an. Die meisten der vier Millionen syrischen Flüchtlinge wurden dort aufgenommen und werden dort versorgt. Unterdessen wird in Deutschland da­rüber gestritten, wie der Zustrom von Menschen aus dem Westbalkan zu bremsen ist. Deutschland hat im vorigen Jahr fast 203 000 Asylbewerber aufgenommen. Das sind 2,5 auf 1000 Einwohner, in Schweden waren es 8,4 und im viel gescholtenen Ungarn 4,3.

Was wir in Deutschland vor dem Hintergrund der ja tatsächlich vorhandenen Ängste eines Teils der Bevölkerung jedenfalls nicht brauchen, ist das politische Geschacher um „sichere Herkunftsstaaten“ und ein längst überfälliges Einwanderungsgesetz – ebenso wenig wie ein euphorisiertes „Lasst sie alle kommen, sie bezahlen uns die Rente“. Es stimmt ja, dass 2014 fast 38 000 Asylbewerber aus dem Kosovo in die EU gekommen sind, fast so viele wie aus Afghanistan, sie aber im Gegensatz zu diesen nur sehr selten eine Chance haben, anerkannt zu werden. Und es ist auch richtig, dass man einer aussichtslosen Zuwanderung schon um der Menschen willen Grenzen ziehen muss.

Diese folgenreiche Einsicht darf aber kein Streitpunkt sein im parteipolitischen Alltagsgezänk. Wird sie zum Instrument der Politik, schürt sie nur die ohnehin vorhandene Fremdenfeindlichkeit – überall dort, wo es an Wohlstand wenig zu verlieren gibt. Was Deutschland in der Flüchtlingspolitik braucht, ist ein Mehr an Fingerspitzengefühl, Vernunft und Nächstenliebe. Auch ­Jesus war ein Flüchtling. Ihm ging es um die Schwachen und Ausgegrenzten innerhalb und außerhalb seiner Gesellschaft.

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