Merklich weniger Energiewende-Euphorie

von Nils Sandrisser

Nils Sandrisser

Gerade erst ist in Frankfurt die Internationale Automobilausstellung zu Ende gegangen. Der Trend zum Radpanzer scheint ungebrochen. Es gab jede Menge neuer „Sport Utility Vehicles“ zu bestaunen. Diese riesigen Geländefahrzeuge haben mit Panzern außer dem Design vor allem gemeinsam, dass sie pro 100 Kilometer eine ganze Ölquelle leer saufen. Die Innovationen auf der Seite der Elektroautos blieben dagegen überschaubar.

Man könnte der Automobilbranche ja leicht das Zukunftsdenken eines durchschnittlichen Exemplars der Gattung Brontosaurus vorwerfen. Aber das wäre zu billig. Die Autobauer reagieren schlicht auf ihr Marktumfeld, das ist schlecht für E-Autos. Außer technischen Gründen sind es vor allem mangelnde staatliche Förderung und nicht vorhandene Infrastruktur, die die Stromflitzer ausbremsen.

Auch bei der Energiewende kommt Deutschland nicht wirklich voran, ähnlich wie beim Thema Elektromobilität. Beide Felder hängen zusammen. Denn anders als beim Strom, tut sich bei der grünen Energie fürs Heizen und fürs Autofahren zu wenig. Unsere gesamte Primärenergie, die sich aus den Bereichen Elektrizität, Wärme und Treibstoffe zusammensetzt, werden wir nicht komplett mit dem ersetzen können, was die Natur uns täglich schenkt. Im Klartext: Um das fossile Benzin zu ersetzen, reicht aller Biosprit der Welt nicht aus. Wir brauchen künftig Strom zur Fortbewegung. Und wir können auch nicht alle unsere Wälder abrasieren, um es im Winter warm zu haben. Einen Großteil der Heizenergie müssen wir einsparen. Wie viel genau wir einsparen müssen, um bis 2050 fast komplett auf Kohle und Öl verzichten zu können, ist noch nicht ganz raus. Die Bundesregierung spricht von der Hälfte, der Bund für Umwelt und Naturschutz von zwei Dritteln.

Das dürfte unpopulär werden. Schon jetzt seufzen viele, wenn das Thema Energiewende zur Sprache kommt, allein deshalb, weil viele Bürger den Fortschritt der Wende an den Strompreisen ablesen. Dabei dürften die wenigsten wissen, was noch auf sie zukommt. Zumindest hat die Bundesregierung bisher nicht gesagt, wie sie sich den Energiemix in Zukunft konkret vorstellt. Sie fördert mal hier, mal da, hier zu wenig, da zu viel. Der Umbau des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vor rund einem Jahr ist das Eingeständnis, dass es nicht gut läuft.

Alle wissenschaftlichen Parameter sagen, dass die Wende notwendig und vernünftig ist. Man darf der Regierung zudem schon unterstellen, dass sie zumindest ungefähr weiß, wohin die Reise gehen soll. Aber sie sagt es bislang nicht. Womöglich hat sie Angst, dass die Euphorie, mit der 2011 die Energiewende startete und die schon merklich abgenommen hat, dann komplett weg ist. Die Frage ist: Wollen die Bürger denn überhaupt die Wende, wenn sie wissen, was sie wirklich bedeutet? Es ist leicht, ein guter Mensch zu sein, solange es nichts kostet.

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