Luther-Reliquien zum Thesenanschlag

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Endlich gibt es ihn jetzt auch als Playmobil-Figürchen: Martin Luther, siebeneinhalb Zentimeter groß, in der Linken den Federkiel und in der Rechten die Bibel. Es waren Tourismuszentralen und das fränkische Spielzeughaus, die den „Reformations-Botschafter“ gemeinsam entwickelt haben, teilt die Wittenberger Geschäftsstelle ­„Luther 2017 – 500 Jahre Reformation“ in diesen Tagen stolz mit: eine Sonderanfer­tigung mit einer Erstauflage von 34 000 Exemplaren. Schämen sollte sie sich!

Bereits vor Jahren, als die possierlichen Luther-Zwerge in den Handel kamen, prophezeite der Wittenberger Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer: Sie wollen unseren Luther touristisch „verrubeln“ (ein aktuell höchst veralteter Ost-Begriff für „zu Geld machen“). Jetzt weist eine beigelegte Landkarte der deutschen Tourismuszentrale gar auf die 35 wichtigsten Stationen Luthers hin. Keine Angst: Speyer und Wittenberg sind dabei, weshalb aber die anderen 33?

Welche niedliche postmoderne Luther-Reliquie mag den feierfreudigen Protestanten als Nächstes drohen? Wird uns der Reformator demnächst als Schlüsselanhänger, Bettwäschezierde, Wachskerze oder Zigarettenanzünder und Klobürstenknauf präsentiert? Kauffreudige Protestanten sollten sich aber selbst beim größten Obolus über eins im Klaren sein: Ihre Schlüssel werden sie auch künftig verlieren – um von weiteren Beispielen abzulassen. Trost spenden mag einzig die Einsicht, dass mit diesem Handelserfolg der reformatorische Bilderstreit ganz im Sinne des Reformators entschieden wurde: „Ecclestone Stempel Reformlands“ – wie mein Korrekturprogramm meint, wenn ich zwei Jahre vor der 500-Jahr-Feier des Thesenanschlags „Ecclesia semper reformanda“ schreibe.

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