Laute Botschaft in einer leisen Zeit

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Ostern 2020 stand im Zeichen der weltweiten Corona-Krise: „Urbi et orbi“ nicht vor Tausenden auf dem Petersplatz, sondern in einem fast menschenleeren Petersdom; unzählige Gottesdienste nicht in den Kirchen, sondern – oft sogar als Aufzeichnung – auf den heimischen Bildschirmen; abgesperrte Ausflugsziele, Wanderer und Kleingruppen in der gebotenen zwischenmenschlichen Distanz. Fast leere deutsche Autobahnen! Die Menschen zeigten Disziplin und Einsicht. Staatliche Vorgaben alleine hätten das wohl kaum vermocht. Es entstand der Eindruck: Das Leben hält den Atem an.

Selbst Peter Sloterdijk, der deutsche Provokateur unter den Philosophen, meint, dass wir aus dieser Krise etwas lernen können. Seiner Meinung nach erleben wir den Beginn eines neuen Zeitalters: das Einschwören der Individuen auf wechselseitigen Schutz; sozusagen eine neue Risikogemeinschaft, die weltweite Solidarität verlangt. Die moderne Menschheitsgeschichte, die 1492 mit der Entdeckung Amerikas begonnen habe, laufe heute aus, weil wir im Prinzip alle im gleichen Transaktionsraum angekommen sind – allerdings mit abgestuften Risiken.

Und für diese Erkenntnis braucht der Mensch die Corona-Pandemie? Sie muss dem Menschen den Zustand seiner per Flugzeug und Smartphone grenzenlos-vernetzten Welt vor Augen führen? In dieser Welt gibt es tatsächlich „abgestufte Risiken“. Die Krankheit macht sie uns nur deutlicher. Sie kommt überall, aber überall sehr unterschiedlich an. Corona trifft Wohlstand, Krieg und Elend. Angesichts der Pandemie wird die Osterbotschaft aus den vielen leeren Kirchen und dem fast leeren Petersdom laut: Sie richtet sich gegen Gleichgültigkeit, Egoismus, Spaltung und Vergessen.

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