Kreuz steht nicht für den bayerischen Staat

von Klaus Koch

Klaus Koch

Not, weiß der Volksmund, lehrt beten. Politische Not lehrt in Bayern ganz offensichtlich das Aufhängen von Kreuzen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder muss gewaltige Angst haben, dass die AfD seiner CSU die Landtagswahlen verdirbt. Deshalb ordnete der evangelische Christ an, ab 1. Juni in allen Behörden des Landes ein Kreuz aufzuhängen. Söder hofft, dass die Wähler glauben, damit bewiesen er und seine Partei, welch patriotische Bayern sie sind und wie wacker sie sich der Islamisierung des Abendlands entgegenstemmen. Tatsächlich machen die Christsozialen jedoch etwas ganz anderes: Sie entwürdigen ein christliches Symbol und verhöhnen die deutsche Rechtsordnung.

Das Kreuz steht nicht, wie Söder sagt, „für unsere bayerische Identität und Lebensart“. Es steht für die Erlösung des Menschen durch die Leiden Jesu Christi. Es ist ein Symbol des Schreckens und der Trauer, wie der hessen-nassauische Kirchenpräsident Jung sagt. Aber auch dafür, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dass er durch Christus überwunden wird. Das muss man nicht glauben, um ein guter Deutscher zu sein. Wer also das Kreuz zur politischen Waffe macht, grenzt Nichtchristen aus.

Mit höchster Wahrscheinlichkeit werden die Kreuze in den bayerischen Amtsstuben nicht lange hängen. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach deutlich gemacht, welch hohen Wert der Religionsfrieden für ein gedeihliches Zusammenleben hat. Deshalb ist der Staat zu religiöser Neutralität verpflichtet. Nur so kann er glaubwürdig die Religionsfreiheit verteidigen, von der Christen ebenso profitieren wie Muslime, Agnostiker und Atheisten. Söder weiß das. Schließlich war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg. Söder handelt also nicht fahrlässig. Er verletzt bewusst verfassungsrechtliche Grundlagen zum vermeintlichen Vorteil seiner Person und seiner Partei. Bis das Verfassungsgericht das Abhängen der Kreuze verfügt, sind die Wahlen schließlich vorbei.

In dankenswerter Klarheit haben führende Vertreter der Kirchen das bayerische Vorgehen verurteilt. Dass CSU-Generalsekretär Markus Blume in den Kritikern eine Allianz aus Religionsfeinden und Selbstverleugnern sieht, zeigt den ganzen Hochmut dieser Partei. Vom CSU-Vorwurf nicht angesprochen fühlen muss sich der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Er ließ zu der Debatte lediglich neckisch verlauten, er freue sich über die Selbstverpflichtung der CSU und des bayerischen Staats, gehe doch vom Kreuz die Botschaft der Menschenwürde, der Nächstenliebe und der Humanität aus. Ganz abgesehen davon, dass Bedford-Strohm damit CSU und Staat gleichsetzt, ist das sehr dünn argumentiert für den obersten Repräsentanten des Protestantismus, der sich doch als Religion des Wortes versteht.

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