Keine Chance für die politische Rede

von Klaus Koch

Klaus Koch

Die Theorie ist von dem Kabarettisten Volker Pispers. Schon 2013 sagte er, Angela Merkel interessiere sich für Politik überhaupt nicht, sie sei einfach nur gerne Kanzlerin. Da ist was dran. Denn das wichtigste, wenn nicht gar einzige Handwerkszeug der Politik ist Sprache. Und Merkel ist die Vollenderin der hohlen, abstrakten und vor allem völlig fantasielosen Sprache. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitierte zum Beleg ­dafür einen Satz Merkels nach einem Treffen mit dem damaligen russischen Präsidenten Medwedjew: „Deshalb ist die Zeit gekommen, hier wirklich in eine Phase einzu­treten, wo wir sehr konkret sagen, was müsste gemacht werden …“

Floskeln waren schon immer Teil des politischen Geschäfts. Eine der schlimmsten Floskeln eint sogar alle im Parlament vertretenen Parteien: „Wir müssen die Sorgen, Ängste und Nöte der Menschen ernst nehmen.“ Aber früher sollten Floskeln Politiker unangreifbar machen, sollten Absichten solange verbergen, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war, sie in die Tat umzusetzen. Merkels Sprache tut das nicht. Sie redet nicht, um eine Debatte zu führen, sondern um sich Debatten vom Hals zu halten. Eine längere Laufzeit von Atomkraftwerken ist dabei genauso alternativlos wie kurz darauf der schnelle Ausstieg. Kurz gab es Hoffnung, dass diese für eine Demokratie schädliche Form der Kommunikation vorbei ist. Eine bunte Koalition und eine starke Opposition im Bundestag schienen möglich. Die politische Rede wäre wiederauferstanden. Nun wird es wohl weitere vier Jahre so sein, dass Merkel sagt, die konkrete Zukunft müsse praktisch gestaltet werden können. Wie diese Gestalt aussieht, wird sie nicht sagen. Und schon gar nicht darüber diskutieren.

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