Kein Zeichen für eine liberale Haltung

von Martin Schuck

Martin Schuck

Durch die Gründung der Vereinigung „Juden in der AfD“ am 7. Oktober dürfte vielen Menschen erstmals bewusst geworden sein, dass es auch jüdische Mitglieder in dieser Partei gibt. Von einigen der insgesamt 24 Gründungsmitgliedern ist bekannt, dass es sich bei ihnen um Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion handelt. Diese Tatsache kann helfen, das Paradoxon zu erklären, warum Juden Mitglieder einer Partei werden, deren Repräsentanten immer wieder durch antisemitische oder den Holocaust verleugnende Äußerungen auffallen.

Die Gegner der Juden in der Sowjetunion, die den Krieg überlebt hatten und von der Deportation in die Konzentrationslager verschont blieben, waren nach 1945 nicht die Nationalsozialisten, sondern die Kommunisten der Stalin-Ära. Unter diesen hatten die deutschstämmigen Juden auch weiterhin zu leiden, etwa indem sie nach Sibirien oder Kasachstan umgesiedelt wurden. Auch war es ihnen kaum noch möglich, ihren jüdischen Glauben zu praktizieren. In Deutschland angekommen, gründeten sie liberale Gemeinden, weil sie von den orthodoxen jüdischen Gemeinden nicht aufgenommen wurden.

Unter vielen Spätaussiedlern, die nach 1989 einwanderten, herrschte eine nationalistische Grundstimmung, die sich zunächst gegen in Deutschland lebende Türken und später gegen muslimische Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus Albanien richtete. Von daher verwundert es nicht, dass es einige aus der ehemaligen Sowjetunion eingewanderte Juden gibt, die angesichts der Einwanderung von muslimischen Flüchtlingen Mitglied der AfD werden. Jetzt benutzt die Partei die Gründung der „Juden in der AfD“, um eine Liberalität herauszustellen, von der sie meilenweit entfernt ist.

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