Kein Interesse für die Not der Rohingya

von Cornelia Füllkrug-Weitzel

Cornelia Füllkrug-Weitzel

Fast ein Jahr ist vergangen, seit über 700 000 Menschen der muslimischen Minderheit der Rohingya aus Myanmar nach Bangladesch vertrieben wurden. Sie leben dort bis heute in einem riesigen Flüchtlingscamp, wahrscheinlich dem größten der Welt. Anfangs füllten Bilder völlig erschöpfter Menschen, die sich mit letzter Kraft über den Grenzfluss zwischen Myanmar und Bangladesch geschleppt hatten, die Titelseiten und Nachrichtensendungen. Damals war die Welt einige Wochen schockiert darüber, dass Menschen auf der Flucht vor Gewalt nirgendwo humanitäre Aufnahme fanden. Aktuell bewegt uns das Schicksal der Rohingya kaum noch.

Menschlichkeit und Barmherzigkeit erscheinen im öffentlichen Diskurs nicht mehr als Grundwerte unseres christlich geprägten Kontinents, sondern als Probleme und Bedrohung unserer Gesellschaft. Die Abwehr und Zurückdrängung von Flüchtlingen ohne Rücksicht auf deren Leben als normal zu empfinden, wird uns täglich eingetrichtert. Das Desinteresse am Schicksal von Flüchtlingen wird in Teilen der Gesellschaft als patriotische Tugend eingeübt. Die ohnehin schon erschütternde Situation der Rohingya-Flüchtlinge spitzt sich darum seit Wochen fernab der Öffentlichkeit zu. In Bangladesch ist Regenzeit. Viele Hütten, in denen ganze Familien unter Plastikplanen leben, werden einfach weggespült. Das Trinkwasser ist schon jetzt teilweise verseucht, die Versorgung mit Toiletten ein großes Problem. Um die Gefahr der Verbreitung gefährlicher Krankheiten einzudämmen, haben sich die Diakonie Katastrophenhilfe und ihre Partner vor Ort auf die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse konzentriert.

Die Rohingya haben in Bangladesch Schutz vor dem Militär in Myanmar gefunden, dauerhaft beheimaten will man sie dort aber nicht. Schließlich existiert selbst für die bangladeschische Bevölkerung kaum eine Gesundheitsversorgung oder ein Bildungssystem. Mittlerweile gibt es ein Rücknahmeabkommen zwischen Bangladesch und Myanmar. Die meisten Geflüchteten lehnen es aber ab. Wohin sollten sie auch zurückkehren? Ihre Heimatdörfer in Myanmar sind zerstört. Sie werden dort auch weiterhin keine Staatsbürgerschaft erhalten. Die Rohingya gehören zu den etwa zehn Millionen Staatenlosen dieser Welt.

Dass das öffentliche Interesse an Flüchtlingsschicksalen im Allgemeinen und dem der Rohingya speziell zurückgegangen ist, hat dramatische Folgen. Die Politik und damit die finanzstarken Geber stellen weniger Mittel zur Verfügung. Diese Lücke müssen humanitäre Hilfsorganisationen füllen. Und die sind wederum vom öffentlichen Interesse abhängig, um Spenden zu bekommen.

Die Autorin ist Präsidentin der ­Diakonie Katastrophenhilfe. Spendenkonto: Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin, Evangelische Bank, IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02, BIC: GENODEF1EK1, Stichwort: Rohingya

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