Kein Geld mehr für Erdogans Erpressung

von Martin Schuck

Martin Schuck

Es war vorauszusehen, dass das Abkommen der Europäischen Union (EU) mit der Türkei nicht von Dauer sein kann. Die Türkei sollte die Grenzen zur EU schließen und würde zur Versorgung der im Land ankommenden Flüchtlinge finanzielle Unterstützung erhalten. Aber vier Millionen Flüchtlinge, eine krisenanfällige Wirtschaft und die Beteiligung an einem Bürgerkrieg – das war wohl dann doch zu viel. Jedenfalls öffnete Präsident ­Erdogan die Grenzen nach Griechenland und Bulgarien. Dort versuchen nun Grenzbe­amte, die EU-Außengrenze vor den einströmenden Flüchtlingen „dicht“ zu machen.

Die Öffnung der türkischen Grenzen ist nichts anderes als ein Erpressungsversuch. Erdogan hatte nach einem Angriff auf türkische Truppen in Syrien die Unterstützung der Nato eingefordert, obwohl sie kein Mandat hat, einem Mitgliedsstaat zu helfen, der außerhalb seines Territoriums auf eigene Verantwortung in einen Bürgerkrieg verwickelt ist. Die Weigerung wurde als Anlass benutzt, um die Grenze zu öffnen.

Die EU befindet sich mit ihrer Flüchtlingspolitik in einem Dilemma. Wegen der grundsätzlichen Weigerung einiger Mitgliedsstaaten zur Aufnahme von Flüchtlingen galt ­bisher die Regel, möglichst viele draußen zu halten. Deshalb wurde das Abkommen mit der Türkei geschlossen. Jetzt aber wird deutlich, dass dieses Abkommen als Mittel zur ­Erpressung dient. Die EU sollte deshalb die finanzielle Unterstützung für die Türkei ­sofort beenden und das Geld zur Integration der Flüchtlinge in den europäischen Staaten verwenden. Die Lektion aus den Ereignissen von 2015 muss lauten: Migration lässt sich nicht mit Gewalt aufhalten, aber sie kann mit rechtsstaatlichen Mitteln gesteuert werden. Dann schaffen wir das.

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