Karfreitag vor allem Tag der Protestanten

von Martin Schuck

Martin Schuck

Beim Blick nach Österreich und die dortige Debatte um einen Feiertag fühlt man sich um gut zwei Jahrzehnte zurückversetzt: Damals, Mitte der 1990er Jahre, wurde in Deutschland der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft, und im Österreich des Jahres 2019 geht es um die Abschaffung des Karfreitags. Schaut man genauer hin, entdeckt man aber einen gewaltigen Unterschied. Ist der Buß- und Bettag ein evangelischer Feiertag, der bis 1994 als gesetzlicher Feiertag für alle arbeitsfrei war, so war der Karfreitag in Österreich nur für die Evangelischen, die Altkatholiken und die Methodisten gesetzlicher Feiertag. Katholiken, Konfessionslose und Angehörige anderer Religionen mussten arbeiten.

Gegen diese Regelung klagte ein Konfessionsloser vor dem Europäischen Gerichtshof und bekam Recht, weil ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot festgestellt wurde. In der folgenden Debatte schlug der evangelische Bischof Michael Bünker vor, den Karfreitag zu einem Feiertag für alle zu machen, im Tausch gegen den Pfingstmontag. Den Vorschlag der Regierung für einen halben Feiertag am Freitagnachmittag lehnte die evangelische Kirche ab, da ihre gesamte Gottesdienstkultur damit zerstört wäre. Nun gibt es das Recht auf einen persönlichen Feiertag, den jeder auf Antrag aus dem Urlaubskontingent nehmen kann. Für die Evangelischen besser als der halbe Feiertag, aber eben doch nur ein fauler Kompromiss.

Österreich reiht sich mit der Abschaffung der seit 1955 geltenden Regelung ein in eine Reihe anderer katholisch geprägter Länder, die den Karfreitag als Feiertag nicht kennen. So ist der Tag in Italien und Luxemburg kein Feiertag, ebenso wenig wie in den katholischen Schweizer Kantonen Wallis und Tessin. Zwar kennt auch die katholische Tradition den Karfreitag als kirchlichen Feiertag, aber eben nicht als kirchliches Hauptfest wie bei den Protestanten. Im Mittelalter war er ein halber Feiertag, der nur am Vormittag bis nach dem Gottesdienst arbeitsfrei war. Katholische Gottesdienste werden am Karfreitag nicht als Messe gefeiert, sondern nur als Kommunionsgottesdienst, meist am Nachmittag, mit am Gründonnerstag bereits vorgeweihten Hostien.

Die auf das Leiden Jesu Christi konzentrierte Theologie Martin Luthers brachte dem Karfreitag eine neue Wertschätzung als einer der wichtigsten Feiertage. Selbst in den frühen reformierten Kirchenordnungen wird dem Karfreitag keine große Bedeutung beigemessen. Erst die lutherische Orthodoxie stellt ihn als eines der kirchlichen Hauptfeste neben Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Von daher ist es verständlich, dass die österreichischen Protestanten beklagen, ihnen werde als lange verfolgte Minderheit ein Recht genommen, das sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg gegen die katholische Mehrheit im Nationalrat erkämpfen mussten: das Recht auf einen eigenen Feiertag.

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