Kardinal Marx und seine Reise nach Rom

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

In der Kürze liegt die Würze, haben sich jene neun Theologen und Katholiken wohl gedacht, die in einem Brief an Kardinal Reinhard Marx, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, zu einem „tief greifenden Wandel“ in ihrer Kirche aufrufen. Veröffentlicht wurde das Schreiben in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, und tatsächlich bringen seine recht namhaften Autoren die in der katholischen Kirche nicht unbekannten Forderungen in wenigen ­Zeilen auf den Punkt.

Sie appellieren an ihre Bischöfe, eine „echte Gewaltenteilung“ einzuführen, weil das „zur Demut Christi und in den Rahmen der für alle geltenden Gesetze“ besser passe. Sie fordern ihre Bischöfe dazu auf, die „Überhöhungen des Weiheamts“ abzubauen und das Amt für Frauen zu öffnen. Den Diözesanpriestern soll die Wahl ihrer Lebensform freigestellt werden, damit „der Zölibat wieder glaubwürdig auf das Himmelreich verweisen kann“. Die Bischöfe sollen auf „das Zeugnis der Bibel und auf die Erfahrungen von Gläubigen“ hören und einen „Neustart mit der Sexualmoral“ wagen.

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs zählen mit Ansgar Wucherpfennig, Klaus Mertes und Johannes zu Eltz drei bekannte Theologen. Sie sind einer kirchlich-liberalen Strömung zuzurechnen, aber keineswegs in einer antiklerikalen Ecke zu verorten. Es überrascht, dass ausgerechnet sie wenige Wochen vor der Vatikankonferenz Ende Februar zum Thema Missbrauch in der Kirche an die Öffentlichkeit gehen.

Mit Verweis auf „den wichtigsten Ertrag“ der von den deutschen Bischöfen selbst beauftragten Missbrauchsstudie wählen die Autoren klare Worte: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten.“ Hier wird nicht mit dem antiklerikalen Knüppel zugeschlagen, hier werden Ansichten aufgegriffen, die offenbar schon weit verbreitet sind. So attestieren die Unterzeichner dem Kardinal: „Die aktiven Katholiken in Deutschland tragen in ihrer großen Mehrheit die vormoderne Ordnung der Kirche nicht mehr mit. Sie ertragen sie nur noch.“

Die Spitze des Schreibens bildet aber die Kritik an den „Überhöhungen des Weiheamts“. Hier, am mittelalterlichen Amtsverständnis infolge einer postulierten apostolischen Sukzession, werden die inner- und außerkirchlichen Mauern gebaut: gegenüber der Gleichberechtigung der Frau und der Gemeinschaft mit anderen Kirchen. Hieraus folgen der Pflichtzölibat der geweihten Männer und die Gefahr der klerikalen Selbsterhöhung.

Der Brief an Kardinal Marx endet mit den Worten: „Die Bischöfe haben das Heft in der Hand. Bitte zögern Sie nicht. Schlagen Sie eine neue Seite auf, schreiben Sie 2019 darüber, und fangen Sie an. – Gute Reise nach Rom und herzliche Grüße an Papst Franziskus.“ Ob sich in Rom jemand für die Wünsche der Autoren interessiert?

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