Größtes Problem ist Frustration an der Basis

von Klaus Koch

Klaus Koch

Die Protestanten leben in der tiefen Überzeugung, dass sie durch gute ­Taten das Heil nicht erlangen können. Allein der Glaube rechtfertigt sie vor Gott. Sie tun also nicht Gutes, um Gott zu gefallen, sondern ihr Handeln wirkt segensreich, weil es aus dem Glauben heraus geschieht. Dann, so sagt es Martin Luther, ist jegliche ­Arbeit Dienst an Gott, die fröhlich und zuversichtlich getan werden kann. ­So weit die Theologie beziehungs­weise: die Theorie.

In der Praxis sind Protestanten da vorsichtiger, wie die Debatte über das Konzept der Erprobungsräume für kirchliche Arbeit in der Landessynode zeigte. Prinzipiell können die Synodalen der Idee schon etwas abgewinnen, Freiräume für neue Strukturen und Arbeitsweisen zu schaffen und die Kirchenmitglieder aufzufordern, kreative Dinge anzufangen, auch mit dem Risiko, dass es schiefgeht. Doch das soll immerhin 250000 Euro im Jahr kosten. Da wird auch der beste Protestant zum Bedenkenträger. Ob es nicht irgendwie möglich sei, für die Erprobungsräume einen Rahmen zu finden, eine Laufzeit oder gar Ziele festzulegen, fragten die Skeptiker. Es war ihnen doch etwas zu heikel, die Basis ohne Vorgabe und Verpflichtung fröhlich kreativ sein zu lassen.

Das höchste Gremium der Landeskirche tat nach einiger Diskussion dann aber genau das. Und genau betrachtet, blieb den Synodalen auch nicht viel anderes übrig. Schlaue Denkschriften, wie die Kirche gegen den Trend wachsen soll, gibt es ja schon. Ganze Bücher wurden darüber geschrieben, an welchen Stellschrauben die Organisation Kirche drehen müsse, um wieder besser zu funktionieren. Doch die klugen Köpfe und Konzepte halfen nicht wirklich weiter.

Die kirchliche Basis ist frustriert, hat den Eindruck, sie verwaltet allenfalls den schleichenden finanziellen und personellen Niedergang. Doch diese Frustration angesichts ständiger Untergangsszenarien ist das eigentliche Problem der Kirche. Sie schreckt Menschen ab, anstatt sie zur Mitarbeit einzuladen. Von Friedrich Nietzsche stammt der Ausspruch, dass die Christen erlöster aussehen müssten, wenn er an ihren Erlöser glauben solle.

In den Gemeinden der Landeskirche gibt es noch immer viele gute Ange­bote. Doch immer weniger Menschen nehmen sie an. Höchste Zeit also, den Blick zu weiten, herauszufinden, was der Gemeinde und den Menschen in ihr fehlt, was ihnen guttun und sie Gemeinschaft erleben lassen könnte. Solche Projekte sind geeignet, Verbündete auch außerhalb der Kerngemeinde zu finden. Eine engere Zusammenarbeit der Kirche mit Kultureinrichtungen, Sportvereinen oder anderen Interessengruppen kann für beide Seiten inspirierend sein. Und wenn die Kirchenleute diese neuen Wege fröhlich und mit Gottvertrauen gehen, ist es auch nicht schlimm, wenn es einmal nicht klappt. Den Segen Martin Luthers haben sie trotzdem – und jetzt sogar den der Landessynode. 

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