Europa: Spielball der kalten Krieger

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Es bleibt merkwürdig ruhig in Europa. Die hohe Politik nimmt in diesen Tagen die ­Rolle des frustrierten Beobachters ein, und von der Anfangs der 1980er Jahre so lautstarken und präsenten Friedensbewegung ist nichts zu hören und zu sehen. Dabei ­waren es doch gerade die mächtigen Friedensdemonstrationen gegen die Stationierung der Mittelstreckenraketen, die damals zum Zustandekommen dieses Meilensteins der Rüstungskontrolle beigetragen haben: genannt INF-Vertrag, verhandelt zwischen den USA und der Sowjetunion, am 8. Dezember 1987 von Ronald Reagan und ­Michail Gorbatschow unterzeichnet, und zum 1. August 2019 wieder abgeschafft.

Der im Kalten Krieg geschlossene INF-Vertrag war für Europa als „Zielscheibe“ besonders wichtig. Bis Ende Juli 2019 verbot er den USA und Russland (als Rechtsnachfolger der Sowjetunion) den Bau und Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Nach Ansicht der USA und der Nato hat Russland diese Vertragsinhalte aber schon seit Jahren verletzt. Also haben die USA das Abkommen gekündigt – und nun zeichnet sich ein neues Wettrüsten ab.

Die Rhetorik erinnert an vergangene Zeiten. Nato-Generalsekretär Stoltenberg: Er wolle keinen neuen Rüstungswettlauf, dafür müsse Russland aber sein Verhalten ändern. Moskau: Die USA haben einen schweren Fehler begangen. Und Washington will die Entwicklung eines neuen Raketensystems jetzt „uneingeschränkt“ vorantreiben und Mittelstreckenraketen (als Botschaft an Peking) so schnell wie möglich in Asien stationieren. Gorbatschow, 87 Jahre alt, war kein kalter Krieger: Jetzt prangert er gefährliche zerstörerische Tendenzen in der Weltpolitik an.

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