Ein Maskenball ohne Jux und Tollerei

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Wir sind maskiert. In Bussen und Bahnen und beim Einkauf, in Ämtern und öffentlichen Einrichtungen ist eine Schutzmaske über Mund und Nase Pflicht. Gerne auch selbst genäht. In Gottesdiensten– sofern es überhaupt schon wieder welche gibt – ist sie ebenfalls anzulegen.

So gut betucht war die Menschheit noch nie. Dabei galten die Masken zu Beginn der Corona-Krise bestenfalls als nutzlos. Manche Mediziner mahnten gar, die Schutzmasken vermittelten ihrem Träger ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Inzwischen sollte aber jedem und jeder klar sein: Wir tragen die Masken nicht, um uns selbst vor Ansteckung zu schützen, sondern unsere Mitmenschen.

Denn wer das Virus in sich trägt, zeigt erst einige Tage nach der Ansteckung – wenn überhaupt – Symptome, wird also unwissentlich zur Gefahr für andere. Dafür sind die Masken. Voraussetzung ist allerdings, dass sie nicht bis zur völligen Durchfeuchtung getragen und regelmäßig desinfiziert werden – in der Mikrowelle, im Backofen oder in der Waschmaschine.

Die Maske eignet sich aber auch bestens als Banditentuch. Kaum gehörte der Atemschutz zum normalen Erscheinungsbild, raubten zwei böse Buben in Südhessen unter dem Deckmantel medizinischer Vorsorge eine Tankstelle aus. Wenige Wochen vorher wäre das Personal sofort in Deckung gegangen, wenn dort Vermummte aufgekreuzt wären. Inzwischen kann man in so einem Aufzug sogar eine Bank betreten, ohne dass die Alarmglocken schrillen – vorausgesetzt, man entdeckt eine geöffnete Filiale.

Als Werbeträger taugt die Atemmaske ebenfalls. Fußballclubs haben das längst erkannt. Eintracht-Fans haben nicht länger „den Adler auf der Brust“, wie sich der Frankfurter Bundesligist in einem Lied selbst bejubelt, sondern mitten im Gesicht. Auch die rote Fahne der viertklassigen Offenbacher Kickers oder die blaue Lilie von Darmstadt 98 ist zu haben, die Roten Teufel aus Kaiserslautern, die gelbe Borussia Dortmund und jeder andere Club, der auf sich hält, bieten ebenfalls Masken feil. Unternehmen bepflastern solche Stoffgebinde natürlich mit ihren Logos. Da läge es doch nahe, dass auch die Kirchen für ihre Mitglieder geeignete Identifikationstextilien in Auftrag geben. Das älteste Symbol der Christenheit, der Fisch, böte sich doch an dafür. Die Maske mahnt zur Achtsamkeit im Umgang mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen. Sie signalisiert: Rücksicht ist wichtig. Ob Corona oder Grippe, Husten oder Schnupfen – wir geben aufeinander acht.

Niemand trägt die Maske aus Jux und Tollerei. Sie wird vielmehr zum alltäglichen Accessoire werden. Wir werden sie zumindest gelegentlich auch dann tragen, wenn die große Corona-Pandemie vorbei und ein Impfstoff entwickelt ist. Und niemand wird künftig mehr asiatische Touristen belächeln, die schon seit Jahren scheinbar sinnfrei mit Mundtuch umherreisen. Die Welt als Maskenball.

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