Die Trikolore ist das falsche Symbol

von Klaus Koch

Klaus Koch

Wenn Unfassbares geschieht, verschlägt es den Menschen die Sprache. Sie suchen nach Symbolen: Im Internet wurden nach den Terror­anschlägen von Paris viele Profilbilder blau-weiß-rot unterlegt, der Gasometer, in dem Günther Jauch zur Talkshow bittet, wurde in den Farben der französischen Flagge ­illuminiert. Doch die Trikolore ist das falsche Symbol. Flaggen kennzeichnen Nationalstaaten, die Angriffe der Mordbrenner des IS gelten aber nicht Staaten, sondern der freiheit­lichen Lebensform, der Demokratie, der Menschenwürde, der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Opfer waren nicht nur Franzosen. Franzosen waren unter den Tätern.

Gegen den islamistischen Terror helfen weder Symbolik, noch Pathos, noch Kriegsrhetorik. Nötig ist die Solidarität mit allen Opfern der Mörderbanden. Nicht nur mit denen in Paris, sondern auch mit den Millionen, die vor den Terroristen fliehen, weil sie bei uns auf Frieden, Freiheit und Menschlichkeit hoffen. Europa darf sich nicht abschotten, die europäischen Nationen dürfen nicht vor allem auf sich selbst schauen. Im Gegenteil: Ganz Europa muss eine offene Gesellschaft bleiben, um sich als überzeugenden Gegenentwurf zur hässlichen Fratze des Terrorismus zu erweisen.

Und dann braucht der Westen endlich eine nachhaltige Strategie gegen den Terror. Eine Hauptursache des Mordens ist die verheerende Perspektivlosigkeit im Nahen Osten. Dort zerfallen Staaten, verlässliche Machtstrukturen und Volkswirtschaften. Dagegen helfen keine Bomben und keine Bodentruppen. Sie provozieren nur neuen Widerstand, neuen Terror. Die Jahrhundertaufgabe des Westens ist die durchdachte und systematische Hilfe für die gemäßigten Kräfte beim Aufbau freier Gesellschaften.

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