Die Politik vertraut zu oft den Falschen

von Klaus Koch

Klaus Koch

Die Tagesbegegnungsstätte Lichtblick ist ein starkes Stück. Ein starkes Stück Sozialarbeit und ein starkes Stück Kirche. Es war nicht selbstverständlich, dass der Kirchenbezirk Neustadt Ende der 1990er Jahre die Verantwortung für die Einrichtung übernommen hat. Eigentlich gehört eine solche Trägerschaft nicht zu den Aufgaben eines Kirchenbezirks. Aber es hat sich gelohnt. Im Lichtblick ist die Kirche da, wo sie hingehört: bei Armen und Schwachen.

Aber auch die Sozialarbeit, die Hans Eber-Huber über zwei Jahrzehnte geleistet hat, ist exemplarisch. Sie zeigt, was möglich ist bei der Integration benachteiligter Menschen. Sie zeigt aber auch beispielhaft die Schwächen der deutschen Sozialpolitik. Diese Politik nämlich ist geprägt von Misstrauen. Jede Leistung, die der Staat gewährt, wird argwöhnisch überwacht. Immer steht die Frage eines möglichen Missbrauchs im Raum. Der Lichtblick-Leiter schämt sich fast, dass er seinen Leuten nur ein kleines Taschengeld zahlen kann. Sie bekommen von einer Behörde ihre Sozialleistungen, verbunden mit regelmäßigen Bescheiden. Dabei wäre es sinnvoller, das Geld als Lohn zu zahlen. Die Menschen arbeiten ja regelmäßig, ein Grundeinkommen wäre also nicht bedingungslos.

Und kosten würde es nur unwesentlich mehr als Hartz IV, Wohngeld und der Zuschuss vom Lichtblick als Arbeitgeber. Die Vorteile wären enorm. Die Menschen würden sich nicht mehr von einer Behörde abhängig fühlen, sondern würden im Wortsinn von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Im Lichtblick ist beeindruckend zu sehen, wie gut es Menschen tut, wenn sie eine Aufgabe und Verantwortung haben. Fördern und fordern ist ein untaugliches Motto der Sozialpolitik. Es muss darum gehen, die Fähigkeiten und Möglichkeiten, die in einem Menschen in schwieriger Lebenslage stecken, zu wecken und wertzuschätzen. Das hilft in den meisten Fällen viel mehr als ein Forderungskatalog, der im Gegenzug für staatliche Leistungen erfüllt werden muss. Und zudem entspräche ein solcher sozialpolitischer Ansatz auch dem christlichen Menschenbild, wonach sich der Wert eines Menschen nicht danach bemisst, was er zu leisten in der Lage ist.

Wer die Kontrollen bei der Sozialhilfe beobachtet, sieht schnell, dass die Politik dieser Gleichwertigkeit der Menschen nicht gerecht wird. Zehn Euro zu viel Zuverdienst, ein nicht eingehaltener Termin beim Amt oder eine fünf Quadratmeter zu große Wohnung werden schnell geahndet. Das ist ein trauriges Bild, wenn man auf der anderen Seite sieht, welche Eiertänze Politiker machen, wenn sie erklären müssen, warum keiner gemerkt hat, dass ein Unternehmen wie Wirecard Milliarden veruntreut. Oder warum es so schwer ist, dubiose Steuersparmodelle bei Aktiengeschäften zu unterbinden oder gerechte Steuern bei internationalen Großkonzernen einzukassieren. Oft investiert die Politik ihr Vertrauen in die Falschen.

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